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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Infotour 2007

Aus CONTRASTE Nr. 272 (Mai 2007)

PERSÖNLICHE IMPRESSIONEN RUND UM DIE KOMMUNE-INFO-TOUR 2007

"Es droht eine Flut!!" oder: Linzer Torte, Rudi Dutschke und die politische Relevanz

Globale Erwärmung? Steigende Meeresspiegel? Klimakatastrophe? Schlimmer! Der Kommune Burg Lutter droht eine Besucherflut!! Wie konnte es nach Jahren der Ruhe nur dazu kommen? Was ist bloß passiert?

Thomas Rindt, Kommune Burg Lutter - Viele Jahre schon ruhten die Burg Lutter und ihre Bewohner bezüglich ihrer Kontakte zu anderen Kommunen und der "Normalo- Welt" in sich und in einer Art "Dornröschen-Schlaf". Da bahnte sich in mir nach zwei Jahren Kommunezugehörigkeit machtvoll das Bedürfnis nach Vernetzung und Teilnahme am öffentlichen Leben einen Weg nach draußen. Die Dornenhecke muss fallen!

Kurzentschlossen schloss ich mich der diesjährigen Kommune-Info-Tour an. So ein desperater Akt muss natürlich am Plenum angekündigt und diskutiert werden. Der Grund-Tenor dort: "Wenn du dir das antun willst, dann mach mal... Aber das muss uns klar sein: im Anschluss droht uns eine Flut von BesucherInnen, die alle dumme Fragen stellen, nicht abwaschen können und nach ein paar Tagen wieder verschwinden!"

Nun ja, das mit den BesucherInnen empfinde ich persönlich eher als wünschenswerten Teilaspekt der Tour, kommunikativ bin ich auch - also schrecken mich Fragen weniger - und wenn ich mir ein bisschen Mühe gebe, bleibt die/der eine oder andere BesucherIn vielleicht auch länger und lernt am Ende gar das Abwaschen....

Im Vorfeld erreicht mich der Wunsch anderer TeilnehmerInnen der Tour, für die geplante Ton-Bild-Show ein Gruppenfoto und ein Bild unserer Küche zum Vorbereitungswochenende mitzubringen. Ein Gruppenbild? - das bekomme ich hin! Bei der Küche wird das schon etwas schwieriger... Wir sind zwar nur sechs feste KommunardInnen, haben aber fünf Küchen im Gebrauch - wenn man die vier Küchen unseres Tagungshauses nicht mit zählt... Aber auch diese Hürde nehme ich souverän - mit einer digitalen Kamera kann man ja auch ein paar Bilder mehr machen.

Unser vorbereitendes Treffen in Karmitz vermittelt mir dann nur positive Eindrücke: alle Teilnehmer der Tour sind nette und interessante Menschen, mit denen es bestimmt Spaß macht, 10 Tage unterwegs zu sein (dieser Eindruck hat sich dann auf der Tour auch restlos bestätigt!) und auch die Kommune Karmitz selbst war für mich sehr aufbauend: es gibt sie also - die Gruppen, bei denen mensch nicht nur zusammen wohnt und die Kasse teilt, sondern auch das Leben; in denen sich ein soziales Miteinander abspielt und es mehr Gemeinsamkeiten als das tägliche Abendessen gibt... Und sogar BesucherInnen werden interessiert und kommunikativ aufgenommen - noch bevor man weiß, wie sie Abwaschen...

Die Tour

Am 22. März geht es dann los - acht KommunardInnen aus sechs Kommunen sammeln sich in der Villa Lokomuna: Christin und Assunta aus Karmitz, Birgit aus Feuerland, Dagmar von der Villa, Dodo von der KoWa, Mechthild und Holm von Buchhagen und der Verfasser dieser zum Teil etwas polemischen Zeilen (Thomas aus Lutter). Vor uns liegt ein straffes Programm: Veranstaltungen in Regensburg, Passau, Linz, Wien, Graz, Salzburg und München - dazwischen nur ein einziger Tag Pause. Dazu die normalen Unsicherheiten: reichen unsere Fähigkeiten als Autoren und unser schauspielerisches Talent aus, um den von uns geplanten Sketch zum Kommune- Alltag unterhaltsam rüberzubringen? Können wir vor hoffentlich vielen Menschen in freier und zusammenhängender Rede unsere Gemeinschaften vorstellen oder wird es eher ein Gestammel a la Stoiber werden (natürlich nur bez. der Form - das wir inhaltlich besser sind, das war uns selbstverständlich klar...)? Und ganz wichtig: was für Fragen erwarten uns in den anschließenden Gesprächsrunden?

Nun, bezüglich der ersten beiden Fragen waren wir schnell beruhigt. Es lief von Anfang an gut! In den Diskussionen kamen dann einige Fragen immer wieder: scheinbar interessiert es alle Gäste, ob ob wir denn nun jeder ein eigenes Zimmer haben oder in Gruppenschlafräumen hausen. Auch wie das mit der gemeinsamen Ökonomie funktioniert, besonders wenn mal einer ein Bier/eine Sojamilch mehr trinkt als die anderen.... Ansonsten aber merkte man schon, dass der BesucherInnenkreis jeden Abend ein anderer war: mal war er mehr studentisch geprägt, mal kamen viele, die sich in der Ökodorf-Szene bewegen oder es herrschten Menschen vor, die gemeinsam eine schon lange bestehende WG bewohnen. Entsprechend unterschiedliche Fragen wurden dann auch gestellt, so wurde uns durchaus auch eine Stellungnahme abgefordert, wie wir die politische Relevanz der heutigen Kommunen einschätzen. Etwas unbefriedigend für uns war nur, dass sich alles in so einer Art "Frage-und-Antwort- Stil" abspielte und sich kein wirkliches Gespräch entwickeln wollte. Aber das liegt wohl auch an der Art der Veranstaltung - es war halt eine Info-Veranstaltung und keine Diskussionsrunde angekündigt.

Insgesamt gesehen können wir - so glaube ich - zufrieden sein: wir haben zusammengenommen ca. 200 interessierte Menschen direkt erreicht, haben einige neugierig gemacht und zum Denken angeregt. Vielleicht konnten wir auch das eine oder andere Vorurteil ausräumen. Bleibt die Frage: was hat das alles mit Rudi Dutschke und Linzer Torte zu tun?

Nun, wir haben erkannt, dass auch Kommunarden nicht unbedingt genussfeindlich oder asketisch sein müssen: neben dem Verzehr recht großer Mengen Honig-Dinkel- und Reiswaffeln, sowie Bio-Dinkel-Cräcker meldet sich auch der Heißhunger nach herrlich ungesunden und konventionellen Torten und anderen Leckereien bei einigen von uns immer wieder. So mussten in Linz natürlich die nach ihr benannte Torte und in Salzburg die "Original Mozart-Kugeln" degustiert werden. Aber welcher denkende Mensch sagt schon, dass ein politisches Leben unbedingt hart und entbehrungsreich sein muss...

Und Rudi Dutschke hat uns doch etwas in Verlegenheit gebracht: ein lokaler Radiosender in Salzburg wollte unsere Veranstaltung in seinem Programm ankündigen und dazu ein kurzes Gespräch am Telefon mit uns führen. Da wir annahmen, es wird sich um die bloße Ankündigung handeln, gingen wir da ganz locker ran. Und dann kam auch gleich diese Frage: "Rudi Dutschke sagte, dass die Kleinfamilie die Quelle des Faschismus sei - wie steht ihr als Kommune-Info-Tour dazu?" Hmmm - doch ein wenig mehr als nur eine Ankündigung! Um eine spontane inhaltliche Antwort konnten wir uns drükken - wer bereitet sich schon auf so eine Frage vor?. Wir haben aber auf der Fahrt nach Salzburg noch etwas intensiver darüber diskutiert - leider hat aber am Abend kein/e BesucherIn nachgefragt.

Jetzt ist die Tour schon wieder fast einen Monat vorbei. Und was ist aus der befürchteten Flut geworden? Nun, ein Tsunami wird es wohl nicht. Bisher trudelten zwei Anfragen ein: eine junge Frau aus Bayern möchte uns im Sommer besuchen. Sie locken unter anderen unsere Töpferscheibe und die von einigen bei uns praktizierten schamanischen Riten (obwohl ich gerade darüber sicher nicht besonders begeistert berichtet haben dürfte). Und unsere Gastgeberin aus Salzburg würde gern zwei KommunardInnen von uns für ihre Diplomarbeit befragen - Kommentar einer meiner Mitbewohnerinnen: "ich weiß nicht, ob ich mich wissenschaftlich ausnutzen lassen will". Ob da vielleicht jemand Angst vor Meinungen hat, mit denen man sich gedanklich auseinander setzen müsste?

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 07. August 2008