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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Februar 2013

Aus dem Inhalt
Repression

SELBSTVERWALTUNG IN FRANKREICH HEUTE UND GESTERN

Autogestion

In Frankreich hat das Konzept der Selbstverwaltung eine lange, und auch noch heute eine sehr lebendige Tradition: Begonnen hat alles mit der Pariser Commune von 1871, die sowohl Anarchisten als auch Marxisten in ihrer Vorstellung einer zukünftigen, staatslosen Gesellschaftsordnung beflügelte. Mittlerweile wird dieses historische Ereignis allerdings seines sozialrevolutionären Gehaltes beraubt und in der offiziellen Geschichtsschreibung als eine rein politisch-demokratische Bestrebung heruntergespielt, die man 2011 in Paris mit einer Reihe von Festakten wie Ausstellungen und Lesungen würdigte. Sogar im Pariser Rathaus, das durch die Kämpfe zwischen Kommunarden und Regierungstruppen in Brand geriet, wurde andächtig an die »Revolte von damals« erinnert. Bezeichnend ist auch, dass mittlerweile vor allen sozialistische Verbände die Erinnerungskultur der Commune am Leben erhalten. Die Anarchisten haben sich weitgehend aus diesen Festlichkeiten ausgeklinkt.

Von Susanne Götze, Maurice Schuhmann, Olaf Wilde (Paris) # Soweit muss man aber gar nicht in die Geschichte zurückgehen, um Spuren der Selbstverwaltungskonzepte und Praktiken in Frankreich zu finden. In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts war die Diskussion über die Formen und die Möglichkeiten der Selbstverwaltung unter Sozialisten der unterschiedlichsten Couleur weit verbreitet und reichten sogar weit in sozialistisch-etablierte Ränge von François Mitterrands »Parti Socialiste«. Die Forschung und Aufarbeitung von Selbstverwaltungspraxen ist auch heute weiter fortgeschritten als im deutschsprachigen Raum. Eine Reihe von wissenschaftlichen Studien und Materialsammlungen sowie Dokumentationen von Aktivisten wurden in den vergangenen Jahren in Frankreich publiziert und spiegeln das immer noch – im Vergleich zum deutschsprachigen Raum – große Interesse an der Thematik wider. Dabei wird sich nicht nur auf den französischen Sprachraum beschränkt, sondern auch der Blick über den Tellerrand in andere Regionen der Welt gewagt. Dem Austausch unter den aktuell bestehenden Projekten dient auch ein eigener Webblog.

Ein aktuelles Beispiel für gelebte Selbstverwaltung in Frankreich ist das seit 2007 besetzte Gelände in Notre Dames des Landes, wo ein neuer Großflughafen entstehen soll. Der auf dem 2.000 Hektar großen Gebiet gelebte Widerstand hat nicht nur in Frankreich für aufgeregte Schlagzeilen gesorgt. Susanne Götze hat jenes Projekt besucht und schildert in ihrer Reportage »Platz für Experimente« ihre Eindrücke von dem ehemals größten besetzten Gelände in Europa, auf dem zumindest im kleinen Rahmen zeitweilig konkrete Utopien gelebt wurden.

Neben jenem schlagzeilenträchtigen »Großprojekt« existiert aber auch eine sehr aktive Szene von kleineren Alternativbetrieben und Projekten, bei denen die Selbstverwaltung nicht nur ein nettes Schlagwort ist, sondern schon gängige Realität. Einige davon hat Olaf Wilde besucht: die anarchistische Ökobäckerei »La Conquête du Pain« in einem Pariser Vorort, eine als Verein organisierte Fahrradwerkstatt »Dynamo« in Nancy sowie die von einem ökologischen Grundgedanken getragene Bastlervereinigung »NYBI«, für die Doit- yourself und Umweltbewusstsein eng miteinander verknüpft sind. Diese Projekte stellen nur einen kleinen Ausschnitt aus der vielfältigen Szene in Frankreich dar – doch die Projekte sind in ihrer jeweiligen Ausrichtung beispielhaft. Neben den ökonomischen und ökologischen Projekten sind auch die Organisationsansätze der »Sans-Papiers« von großem Interesse. Trotz eines – nicht weniger als in anderen europäischen Staaten vorherrschenden – Rassismus bietet die französische Bürokratie gewisse Räume, in denen sich die »Sans Papiers« einrichten können. In ihren Gruppen werden ohne explizitem ideologischem Anspruch Formen der Selbstverwaltung erprobt. Ein diesbezüglich geplanter Beitrag musste leider verschoben werden. Spuren der Selbstverwaltung finden sich aber auch im ansonsten sehr streng hierarchischen französischen Schulbetrieb wieder – sei es in Form des Lycée autogéré de Paris (LAP), einem seit 1982 bestehenden, selbstverwalteten Gymnasium mit dem Anspruch einer libertären Pädagogik als auch im Lycée du Temps Choisi (LDTC). In dem zuletzt genannten wird Schülern mit Unterbrechung in der Schullaufbahn die Möglichkeit gegeben, ihren Abschluss in einem etwas offeneren Rahmen zu machen. Maurice Schuhmann, der selbst als Deutschlehrer am LDTC tätig ist, beschreibt in seinem Beitrag »LAP und LDTC – Schule mal etwas anders« beide Schulen, die in ihrer Gegensätzlichkeit die Bandbreite alternativer Pädagogikansätze in Frankreich abbilden.

Webseite: www.autogestion.coop

Schwerpunktthema auf den Seiten 7 bis 10

 

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Stand: 01. Februar 2013