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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Eschhaus Duisburg

DUISBURG

Ein selbstverwaltetes Zentrum feiert seine 10jährige Unabhängigkeit

Lieber arm, aber sauber...

Wie stellt sich ein selbstverwaltetes Zentrum, auf dem Höhepunkt der Jugendzentrumsbewegung gegründet, heute nach 10 Jahren dar?

Ist es eine etablierte und anerkannte Einrichtung der Freien Jugendarbeit?

Mitnichten: Betrachten wir den Einfluß, den das Haus durch seine politischen Initiativen und Veranstaltungen auf die Region ausübt, die Rolle des -Hauses als sozialer Anziehungspunkt für Minderheiten, die kulturellen Höhepunkte in Form von Konzerten, Theateraufführungen, Lesungen und Diskussionen, dann könnten wir uns beruhigt zurück lehnen. Nur wissen wir, daß ein Zentrum, daß sich ausruht, zu einem bestenfalls verwalteten Dienstleistungsbetrieb verkommen muß. Gerade die lange Zeit und die Bekanntheit erfordert immer neue Anstrengungen, um akzeptiert und von den Besuchern und Unterstützern angenommen zu werden.

Selbstverwaltet nennen wir uns. Aber was ist tödlicher für die Selbstverwaltung, wenn nicht ständig die Auseinandersetzung um das Wesen und die Zielsetzung geführt wird, wenn nicht eingefahrene Strukturen hinterfragt werden? Zu Zeiten, in denen die Szenen, die das Haus tragen, sich verändern, sich neue bilden, alte wegbleiben, ist das Haus umso mehr gefordert, Anstöße zu geben. Der Wert dieser Arbeit mißt sich am Unruhepotential, den das Zentrum produziert. Es vereinigt an einem Ort soziale, politische und kulturelle Eigeninitiative und kann, weil es nicht hierarchisch oder einengend ist, die Identität seiner Besucher und Mitarbeiter mit ihrer Stelle zum Haus, zur Arbeit und zur sozialen Interaktion fördern. Kommen wir auf das „Mitnichten" zurück. Auf der einen Seite also Anerkennung, von der Duisburger Bürokratie aber nur geduldet oder mit der Schließung bedroht. Der Wert der Freien Zentrumsarbeit längst allerorts in seiner soziokulturellen Bedeutung unterstützt, scheint den verantwortlichen im Rat nicht aufgegangen zu sein. Der Bürokratie, die die Jugend- und Minderheitenprobleme in keiner Weise angeht oder löst, werfen wir vor, Gelder raus zuschmeißen für wahnwitzige Projekte des Konsums und der Eigenwerbung: Überdachungskonstruktion in der Einkaufszone, Ausbau der Oper und der offiziellen Kulturarbeit, Orientierung auf den Mittelstand.

Unsere Geidforderungen, die die Arbeit des Hauses absichern soll, wurden bisher schlichtweg überhört. Stattdessen wird der Plan für eine so genannte „Markthalle" entwickelt, in der neben alternativen Produkten eine ähnliche Kulturarbeit wie die des Eschhauses angeboten werden soll. Natürlich nicht selbstverwaltet und unruhig, sondern kontrolliert und als Aushängeschild kommunaler Kulturarbeit konzipiert.

Wir fordern eine jährliche Summe von 250.000 DM (ein Klacks!) zur Unterstützung dieses immens wichtigen Zentrums für Duisburg und das Ruhrgebiet.

Alltag

Das Eschhaus hatte schon immer weit über die Grenzen der Region hinaus Vorbildcharakter. Jugendgruppen, JZ-Initiativen, Planer, Verbände, Pädagogen und Wissenschaftler pilgerten nach Duisburg, um sich hier für ihre eigenen Projekte inspirieren zu lassen. Während sich potentielle Zentrumsnutzer erst einmal naiv von der Gesamtheit aus „anderem Leben" und „Gegenkulturellem Milieu" angesprochen fühlten, sahen inhaltlich interessierte Kreise (Initiativen, Städteplaner, Sozialarbeiter, Jugendverbände) das Haus jeweils nach ihrem Erkenntnisinteresse als gesellschaftliches Modell mit revolutionierendem oder integrativem Charakter.

Aktions- und Konsumangebot

Als einzige öffentliche Einrichtung in Duisburg bietet das Eschhaus eine ständig durchlaufende Palette von Aktions- und Konsumangeboten, die kostenlos bis preiswert für alle offen stehen: Film, Theater, Musik, Tanz auf der einen Seite und Weiterbildung, Kurse, politische Veranstaltungen, Beratungen, Projekte, usw. auf der anderen Seite, stecken das Spektrum des reinen Angebotsbereiches ab. Speziell auf dem Theater-, Video- und Filmbereich profilierte sich das Haus durch eigene Produktionen und außergewöhnliche Aktivitäten (Ruhrgebietsvideofestival ÜBERBLICK 84, 8 mm-Filmschau, Video- und Theaterproduktionen). Mit dem Rockcafe wurde. eine preiswerte Diskothek geschaffen, in der die Besucher ihre eigene Musik machen. Die Reihe Film am Mittwoch ist das kostenlose Kneipenkino des Hauses, das aktuelle und klassische Titel aller Richtungen zum Nulltarif für alle, die es sich nicht mehr leisten können, Kommerz- oder Programmkinohaien den letzten Groschen in den Rachen zu werfen.

Politische und kulturelle Initiativen

Daß sich hier ein großer Teil politischer und kultureller Geschichte Duisburgs abspielte, muß in engem Zusammenhang gesehen werden mit dem Prinzip der Unabhängigkeit, das die Möglichkeit der Entfaltung von Aktivitäten garantiert, die weit über einen reinen Konsumcharakter hinausgehen. Initiativen, Frauengruppen, Schwule, Lesben, Musiker, Theaterleute, Filmer und andere finden die Möglichkeit, ihren Interessen nachzugehen, das Haus als Forum ihrer Arbeit zu nutzen (Proben, Diskussionen, Seminare, Workshops) und durch ihre Mitarbeit intern und nach außen das Haus mitzugestalten. Fester Bestandteil des Hauses ist die Frauenarbeit, Aktivitäten der Frauenbewegung veränderten die innere Struktur einer fast reinen Männer-Mitarbeitergruppe und schlugen sich in allen Bereichen des Zentrums nieder: Film, Musik, Theater von und für Frauen, Seminare zu Verhütung, Abtreibung, Sterilisation, regelmäßige Frauentreffs, § 218-Demonstrationen, Notruf für vergewaltigte Frauen, Aktionen gegen Vergewaltiger.

Überregionale Wirkung

Seit Übernahme des Zentrums durch die Initiative wirkte das Eschhaus als Ausgangs- und Sammelpunkt für Ereignisse, die für die politische und soziale Entwicklung einer großen Region von nicht zu unterschätzender Bedeutung sind: Kalkar-, Brokdorf-, § 218-, Sozialhilfedemos auf nationaler Ebene, Volkszählungsboykott, antifaschistische Aktionen, Ärzte- und Anwaltstreffen, Landeskonferenzen von Initiativen usw.

Die Bereithaltung der Räumlichkeiten für die Vor- und Nachbereitung von Aktionen und die politische Arbeit in größerem Rahmen sind Teil des Grundverständnisses vom Eschhaus als selbstverwaltetem Zentrum. Unterstützt wird diese Arbeit durch das Eschhausheft, das sowohl Programm- und Werbeblatt des Hauses ist, wie Forum für parteiliche und emanzipatorische Interessen. In diesem Sinne leistete das Eschhaus in der Vergangenheit seinen farbigen Beitrag zur sonst eher tristen offiziösen politischen Kultur der Sozialdemokraten.

Arbeitsstrukturen

Die Arbeit des Hauses wird von einigen fest angestellten und einer Reihe von freiwilligen Mitarbeitern ohne institutionelle Hierarchien organisiert. Abhängig von der jeweils angesagten politischen oder kulturellen Konjunktur findet die alltägliche Arbeit Unterstützung durch interessierte Gruppen und Einzelpersonen.

Selbstverwaltung

Das Eschhaus ist Auffangbecken für die, die noch Zugang zu ihrem gesunden Mißtrauen gegen das haben, was sie umgibt. Das bedeutet gleichermaßen Freiraum und Abschiebehaft für Menschen, die sich im deutschen Alltag nicht häuslich niederlassen.

Das ist Chance und Gefahr in einem. Selbstverwaltung ist ein Weg, diesen Zusammenhang praktisch zu begreifen. Will man an dieser Stelle nicht stehen bleiben, kann der Anspruch auf Selbstverwaltung nur Opposition bedeuten.

Opposition und Freiraum

Der Widerspruch zwischen der Tatsache, daß wirkliche Opposition nie auf den Freiraum, sondern immer aufs Ganze zielt, und dem Umstand, daß eine Tätigkeit wie die unsere zur puren Verwaltung eines gesellschaftlichen Exils funktionalisiert werden kann, bestimmt die täglichen Auseinandersetzungen und die Arbeit im Haus. Die Chance, die die Selbstverwaltung bietet, liegt vor allem in dem Zwang, Bewußtseinsprozesse in Gang zu setzen, die sich im Widerspruch mit der herrschenden Moral befinden, will man weder Spielwiese noch Fürsorge sein. Die Vielfalt der Möglichkeiten eines unabhängigen Zentrums und die Konzentration sozialer, politischer und kultureller Aktivitäten auf einen Ort, lassen umfassendere Erfahrungen zu, als staatlich geführte oder beeinflußte Treffpunkte gemeinhin zu bieten haben. Der Inhalt von Selbstverwaltung, der an seine Träger den Anspruch stellt, gesellschaftlich zu wirken, kann sich nicht reduzieren auf die möglichst repressionsfreie Organisation der Arbeit. Indem man den Hierarchien der Gesellschaft und deren Zwängen, die Norm zu erfüllen, ein Modell freiwilliger Organisation entgegensetzt, löst sich das Problem, tatsächlich emanzipatorische Arbeit zu leisten, noch nicht. Es reicht nicht aus, eine Nische zur Verfügung zu stellen, in der sich andersartige Menschen aufhalten, ohne ihre Lage zu erkennen und ändern zu wollen.

Tatsächlich nimmt das Eschhaus mit seiner Arbeit erst einmal Aufgaben einer Kommune wahr, deren eigentliche Interessen nicht auf Fortschritt zielen, sondern auf Stillstand. Diese ist ohnehin nur unattraktiv und konfliktgeladen, zu dem teuer kaum als Werbethema auszuschlachten. Solche Zusammenhänge müssen bei den Trägern, der Selbstverwaltung Ohnmacht und Rückzug auf sich selbst verursachen, wenn Unabhängigkeit nicht Lernprozesse und offensive Wendung nach außen beinhalten, um in einer repressiven Gesellschaft Ansätze zur Selbstbehauptung und letztendlich Selbstbestimmung zu leben.

Highlights

Das Haus als ein Zentrum von Aktion wird von den sozialen, kulturellen oder politischen Bewegungen getragen, die sich in seinen Bedingungen und Eigenarten wiederfinden. Das Sterben von Bewegungen und die Schwierigkeiten, die auch fortlaufend bestehende Gruppen mit kontinuierlicher, selbst bestimmter Arbeit haben, überantwortet das Zentrum einer Dauerkrise:

Nach Phasen der Hochkonjunktur zu einer schlappen Hülle degeneriert, die auf das Erscheinen eines neuen Inhalts wartet, stellt gewaltige Anforderungen an die, die das Haus permanent tragen. Oft erlebt: Perspektiv- und Konturlosigkeit, Identitätsverlust, Ödnis und Langeweile. Dann. auf der anderen Seite das, was den Nagel auf den Köpf trifft: Problembewußtsein, gezielte Parteinahme, hohe Mobilisierung, prägen das Leben des Hauses.

Faschismus-Repression und Widerstand

Als im Jahr 1978 die Ruhrgebiets-SPD neofaschistischen Organisationen das Feld überließ und ihre Kundgebungen gestattete, wurde eine Gegenveranstaltung durchgeführt. In diesem Rahmen kam es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei, die sich zum Schutz der Faschisten gegen demokratische Kräfte bereithielt. Antifaschisten wurden wegen ihres Vorgehens angeklagt. Gruppen des Hauses gründeten daraufhin den Rechtshilfefond, mit dem Ziel regionale politische Prozesse in finanzieller und praktischer Hinsicht zu unterstützen. Die Kosten der Verfahren wurden über Solidaritätsdiscos, Beratungen gegen Spende und weitere Aktionen im Eschhaus gedeckt. Große Summen wurden über die Organisation eines Trödelmarktes erwirtschaftet, der zum größten und beliebtesten Markt dieser Art in Duisburg avancierte, bevor ihn sich ein Unternehmer mit Hilfe der Stadtverwaltung unter den Nagel riß. Angesichts der bei der Nazikundgebung gemachten Erfahrungen wurde die Veranstaltungsreihe Faschismus, Repression und Widerstand ins Leben gerufen, die aufklären sollte und zum Widerstand aufforderte. In Form von Seminaren und Vorträgen wurde über Monate mit den führenden Vertretern antifaschistischer Politik und Wissenschaft diskutiert.

Dieser Komplex, der inhaltlich und personell das Gesicht des Hauses über lange Zeit prägte, ist kennzeichnend für Möglichkeiten, die eine Selbstverwaltung im Haus offenhalten muß: Nutzung der Räume, Einfluß auf die Programmstruktur, Teilnahme an der organisatorischen Arbeit im Haus, nutzen der Eschhaus-Medien zu Publikation und schließlich, weitergehende Arbeit im Haus. Bedingt durch das Vorhandensein der geeigneten Räumlichkeiten und die Vielfalt der im Haus versammelten Interessen konnte das Thema bereichsübergreifend behandelt werden: Kultur (Veranstaltungen, Trödelmarkt..), Soziales (konkrete Unterstützung durch Fond) und Politik (Diskussionen, Vorträge) ergänzten und bereicherten sich gegenseitig.

Punkfestival

Im August 1980 organisierten Duisburger Punks im Eschhaus das UNGEWOLLT-Festival, ein Konzertmarathon das nach dem gleichnamigen Fanzine, eines lokalen Punkhelden benannt wurde. Neben sechs Musikgruppen aus dem Ruhrgebiet hatte die Polizei ihren großen Auftritt: Nach einem kleinen Vorgeplänkel wegen der scherbenübersäten Straße, die daraufhin von Mitarbeitern und Festivalbesuchern gereinigt wurde, provozierte die Polizei einen Anlaß, die 200 bereits wartenden Polizisten zum Großeinsatz zu bringen. Zwei Punker wurden wahllos aus der Menge heraus verhaftet, die sich daraufhin zur Wehr setzte. Der Polizeibericht: Widerstandshandlung, Landfriedensbruch, Gefangenenbefreiung, gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung.

Die Veranstaltung fand nicht zufällig im Haus statt: Das Eschhaus ist Forum für Minderheiten und wurde hier als solches genutzt. Daß völlig unerwartet 400 Punks das Festival besuchten, zeigte mehr als alles andere die Notwendigkeit von Plätzen für solche Aktivitäten. Volkszählungsboykott / Reihe „Neue Technologien“

1983 wurde bundesweit zum Boykott der Volkszählung aufgerufen. Hierzu fanden im Eschhaus Veranstaltungen statt, die neben Agitation und Information Mut zur Beteiligung machen sollten und Hilfestellung zur praktischen Durchführung leisteten. Fragen zu rechtlichen und anderen Konsequenzen, die sich aus dem Boykott ergeben könnten, wurden von Anwälten und Fachleuten beantwortet. Gruppen des Hauses organisierten diese Treffen in Zusammenarbeit mit anderen aktiven Initiativen aus Duisburg. Nachdem die Volkszählung wegen massiven Widerstands ausgesetzt wurde, arbeitete die Kerngruppe der Aktionen weiter zum Thema: Volkszählung und neuer Personalausweis als Ausdruck zunehmender staatlicher Erfassung. In Arbeitskreisen bereitete man die Einzelveranstaltung der umfassenden Reihe NEUE TECHNOLOGIEN vor, die multimedial an Schwerpunkten wie Zukunft der Arbeit, Neue Medien, Gentechnologie, Mensch-Maschine darstellte und diskutierte, was uns erwartet und welcher Widerstand möglich ist. Als 1984 die Stadt Duisburg im Rahmen der jährlichen Stadtwerbung die Duisburger Akzente zum „Orwell-Staat" inszenierte, organisierten die Aktiven eine öffentliche Kundgebung gegen die Verlogenheit des Veranstalters, der, selbst extensivster Betreiber neuer Technologien, sich nicht entblödelte, sich kritisch zu gebärden.

Die Eschhaus Videogruppe verankerte im Zentrum bereits früh eine besondere Sensibilität gegenüber der Bedrohung durch Überwachung und Erfassung durch praktische Erforschung des Mediums und dessen Möglichkeiten im hauseigenen Videostudio, durch gezielten Einsatz bei Aktionen, durch ein „Überwachungs"-Rockcafe mit Videoinstallationen und Aufarbeitung im Eschhausheft wurde schon im Vorfeld gesellschaftlicher Entwicklung kritisches Bewußtsein gefördert und angeregt.

Freies Theater

Freie Theaterarbeit ist emanzipatorische Arbeit. Sie versucht, ihrem kritischen Ansatz in zeitgemäßen Formen der Darstellung Ausdruck zu verleihen.

Theatervorstellungen haben eine lange, wenn auch oft unterbrochene Tradition im Haus, deren erster Höhepunkt und Skandal gemeinsam mit dem Hamburger Schwulentheater Brühwarm begangen wurde. Erst mit der Zeit konnte sich die Erkenntnis durchsetzen, daß nicht gelegentliche Highlights, sondern ausdauernde Kleinarbeit freies Theater dem Publikum zugänglich macht.

So entwickelte das Haus ein Konzept regelmäßiger Aufführungen unterschiedlichster Genre, die von Workshops und Kursen unterstützt wurden, um aktives Interesse am Medium zu fördern und den Wert des eigenen Spiels für die Persönlichkeitsbildung zu erfahren. 1984 führte das Freie Theater Eschhaus mit Fassbinders „Blut am Hals der Katze" ihre zweite Produktion auf. Zum ersten Mai wurde versucht, in wöchentlichem Zyklus das gleiche Stück zu spielen. Das Experiment lief über zwei Monate mit unerwartetem Erfolg: Alle Vorstellungen waren gut besucht bis ausverkauft. Ein Signal für die Zukunft: Zur Zeit diskutieren wir die Einrichtung einer eigenen Bühne, d.h. der Versuch soll mit anderen Gruppen weitergeführt werden, um freien Ensembles die rare Gelegenheit einer regelmäßigen Aufführungspraxis zu bieten und einen offensichtlich steigenden Bedarf nach kreativem Theater nachzukommen.

Noch mehr Highlihgts

Vier Beispiele dafür, worauf die Arbeit des Hauses zielt und für ihre unterschiedlichen Qualitäten. Hierzu läßt sich weiteres anführen: Afro-, Folk-, Clowns-, Amateurmusiker-Festivals / Unterstützungsaktionen zu Hausbesetzungen, Fahrpreiskampagnen, Lateinamerika, Friedensbewegung, Jugendbewegung, Knast / Gründung der unabhängigen Jugendhilfe zur Beschaffung von Wohnungen für Jugendliche / juristische und ärztliche Hilfen / etc.

Konflikte

Zehn Jahre Eschhaus sind besetzt mit Konflikten zwischen der Stadt und dem Zentrum. Auch in der Reihe dieser Auseinandersetzungen zeigte sich die Vielfalt, auf die wir in unserer kulturellen und sozialen Arbeit soviel Wert legen. Ein stetiger Grund städtischer oder staatsanwaltschaftlicher Initiative gegen uns lag in Artikeln der hauseigenen Postille, dem Eschhausheft. Ein anderer rangte sich urn Geldforderungen oder allgemeine Verwaltungsfragen. Die dritte Kategorie des Zankes läßt sich mit der Lärmbelästigung, die vom Haus ausging, umschreiben. So vielfältig also die Inhalte der Streitereien waren, so schlicht waren die Reaktionen der städtischen Bürokratie: Sie drohte mit Kündigung des Vertragswerkes, das 1973/74 zwischen der Stadt und dem Trägerverein des Hauses abgeschlossen wurde.

Eine kurze Einordnung der Gründung des Zentrums in die historische Situation scheint jetzt geboten, um die Logik der Konfliktaustragung zu verstehen.

Historische Einordnung

1973/74 war die Studentenbewegung tot oder transformiert in Organisationsdebatten. Ihre gesellschaftssprengende Kraft, die die SPD zu Zugeständnissen und Reformversprechen gerade auch im Jugendbereich gezwungen hatte, verlor ihre Wirkung. Statt dessen der Referentenentwurf zu einem neuen Jugendrecht, der rechtsfreie Räume für Jugendliche radikal eindämmt und Zentrumsbesetzungen werden entweder legalisiert oder abgeräumt. Anerkennungsvorschriften, Nutzungsverträge oder Einrichtungen juristisch fixierter Personen geben den Rahmen für die zukünftige Unabhängigkeit ab. Dazu sollen der Ausbau des innerstaatlichen Gewaltapparats und die Anwendung des Straf- und Zivilrechts in der Rechtssprechung auch auf Jugendliche die gesellschaftliche Integration der aufmüpfigen Jugend beschleunigen. Die Folge ist, daß die erste Welle der Zentrumsbewegung abebbt , die Jugendlichen ihre Möglichkeiten erschöpft sehen und ihre Häuser schließen oder als nichtintegrationswillige Horte der Rebellion geschlossen werden.

Die zweite Welle der Zentrumsgründungen verläuft in geordneteren Bahnen. Grundsteine für eine langfristige Jugendarbeit werden in Form von Verträgen, Rechtstiteln, juristisch verantwortlichen Partnern und Vereinsgründungen gelegt. Wie dauerhaft und stabil ein solches Vertragswerk sein kann, beweist die Geschichte unseres Hauses.

Gründungsphase und Vertragswerk

Die Stadt Duisburg plant zu dem Zeitpunkt der Eschhausinitiative bereits ein Prestigeobjekt ,,JZ-Stadtmitte", muß aber dem Druck der Jugendlichen nachgeben. Diese lassen sich nicht mehr vertrösten und haben darüber hinaus ganz andere Vorstellungen von ihrem Jugendzentrum als die Kulturverantwortlichen der Stadt. Schlagworte sollten zu Inhalten werden: Selbstverwaltung - Unabhängigkeit - Autonomie. Die Jugendlichen nahmen Verhandlungen mit der Stadt auf. 1973 wurde zwischen der Stadt und dem Trägerverein, der sich zwischenzeitlich gegründet hatte, in dem Beirat (dem Organ des Trägervereins) das Eschhaus kostenlos zugesprochen wurde und ihn als Träger der freien Jugendhilfe zum Rechts- und Vermögensträger des Zentrums machte. Schwere interne Auseinandersetzungen um die Führung des Zentrums gingen diesem Abschluß voraus, weil ein Teil der Jugendlichen in den Vertragsverhandlungen schon das Ende der Selbstverwaltung sah und sie ihre Vorstellungen eher in der Tradition der Studenten- und Jugendrevolte angesiedelt hatte. Erfolglos versuchte der Beirat an die Stadtverwaltung finanzielle Forderungen zu stellen. Aber man kennt ja dieses Spiel. Mit dem schadenfrohen Grinsen jemanden geleimt zu haben, zogen sich die Verwaltungsmenschen zurück, hatten sie sich doch durch das Vertragswerk offiziell der anfallenden Probleme entledigt und auf den Beirat verlagert, der fortan als Vermittler zwischen der Stadt und dem Zentrum zu funktionieren hatte.

Dieser Vertrag lohnte sich für die Stadt in doppelter Hinsicht. Janusköpfig konnte sie sich auf eine formaljuristische Sichtweise des anstehenden Konflikts zurückziehen, indem sie mit der Kündigung des Nutzungsvertrages drohte und zugleich die Augen schließen, wenn Probleme anstanden, mit denen sie nichts am Hals haben wollte. Zwei Beispiele verdeutlichen dies: Das Lärmproblem und das Drogenproblem.

Lärmproblem

Praktisch seit Anbeginn ist die Lärmbelästigung der Anwohner und Nachbarn des Zentrums ein großes Problem. Abgesehen davon, daß sich die Nachbarn durch die bunte Mischung sämtlicher Jugendkulturen der letzten Jahre, die durchs Haus gewandert sind, abgestoßen gefühlt haben und nicht im Einklang mit ihren Vorstellungen einer sauberen deutschen Jugend standen, und abgesehen davon, daß es auch tatsächlich störend ist, nachts von anfahrenden Autos und Motorrädern um den .Schlaf gebracht zu werden, sind wir nicht sicher, ob die Gaststätten in der Straße, die ähnlich laut sind, von Bürgerinitiativen und Unterschriftensammlungen zum Aufgeben animiert worden sind.

Das Verhalten der Verantwortlichen im Rat der Stadt in diesem immerhin 8 Jahre schwelenden Konflikt zeigt sich in ihrem Verhältnis zum Haus: Ignorieren, bis die Stimmen zu laut sind, die sich beschweren, möglichst noch die Angriffe der regionalen Presse abwarten und dann in die Vollen, nämlich Drohung mit der Schließung. Unsere Vorschläge, das Lärmproblem einzudämmen, fallen - weil kostenträchtig - zuerst einmal auf taube Ohren. Konkret:

1. Die Niederstraße zu einer verkehrsberuhigten Straße zu machen. Prophylaktisch stellen wir schon mal die Blumenkübel auf. Die Antwort der Stadt ist eine polizeiliche Maßnahme, die Blumenkübel verschwinden, eine Einbahnstraße wird eingerichtet, das Lärmproblem bleibt.

2. Das Haus schalldämpfen, die Räume dementsprechend ausbauen. Dazu eigene Gutachter, die der Stadt sinnvolle und kostengünstige Vorschläge unterbreiten. Die Antwort der Stadt ist - nach langem Zögern und der massiven Drohung von uns, die Disco nachts auf der Einkaufsstraße steigen zu lassen - eine Schallschutzwand einzubauen, die Öffnungszeiten drastisch zu verringern, die Musikveranstaltungen zu begrenzen.

Und natürlich, wenn alles nichts hilft, die Schließung.

Unsere Vorstellungen zielten auf die Auseinandersetzungen um Jugendarbeit ab und die unmögliche Erwartung, die Jugendausschüsse und Berufsjugendlichen in der Bürokratie hätten affirmative (vielleicht heimliche) Liebe zur freien Jugendarbeit. Stattdessen wird eine Ordnungsverfügung mehr den anderen zugefügt, die „Haus der offenen Tür" Förderung eingestellt und der Nutzungsvertrag modifiziert.

Drogenproblem

Duisburg hat den zweifelhaften Ruf, einer der größten Umschlagplätze für harte Drogen in der BRD zu sein. Ein riesiges Problem für die Stadt und auch hier zeigt sich die Hilflosigkeit, die allerorts gegenüber dem harten Drogenkonsum und Deal aufkommt, rennt man den kleinen Dealern hinterher und bekämpft nicht die Strukturen, die konzernähnlich - das Geschäft beherrschen.

Das Eschhaus ist natürlich auch nicht frei von derlei Problematik, ein Drogentoter in der Nähe, zeigt auch die Nähe zum Haus. Ein Grund, das Haus zu schließen, Razzien zu veranstalten, eine öffentliche Kampagne vom Zaun zu brechen? Nein, es bleibt, wie es ist. Die Stadt kümmert sich nicht um Probleme, für die sie auch keine Lösung hat, wir halten die Drogen aus dem Haus heraus und die Stadt hat nichts gesehen. Der Stein könnte ja auf ihre eigenen Füße fallen, wenn sich nicht das Haus damit herumschlagen würde. Die einzige Aktion von städtischer Seite war zwei Streetworker im Haus zu installieren, die sich ausdrücklich weigerten, mit den Mitarbeitern zusammenzuarbeiten. Die Folge war ein Hausverbot für die Streetworker.

Diskriminierte Eschhausheftartikel / Jacobi-Brief

Die Liste der Konflikte ist lang, aber ein Typus taucht regelmäßig auf: Mißliebige Artikel des Eschhausheftes rufen die Ordnungsbehörden auf den Plan: Der Jacobi-Brief soll das dokumentieren. Der Münchener Schriftsteller Jacobi hatte 1979 einen kritischen Brief zur Wahl Carstens zum Bundespräsidenten geschrieben, der vom Eschhausheft abgedruckt wurde. Lästerliches, verbotenes Gedankengut, das ausgerechnet Carstens Nazi-Vergangenheit zum Thema nahm, in einer Zeit, als die Linke nach Stammheim sich kaum noch zu Wort meldete. Die Reaktionen der Öffentlichkeit und des Rates der Stadt waren fürchterlich. Der Jugendwohlfahrtsausschuß tagte und dem Haus sollte die freie Trägerschaft aberkannt werden, was einer Schlie6ung gleichgekommen wäre da ein Teil der Förderung über diesen Status abgewickelt wurde. Zivildienstleistende hätten ebenso ihren Platz räumen müssen, wie Kursteilnehmer an den Weiterbildungseinrichtungen. Nur eine Woge der Solidarität von der Gewerkschaftsjugend bis zu kirchlichen Jugendverbänden, die den Wert der freien Jugendarbeit für die Region betonten, rettete das Haus vor der Schließung. Die erwartete Distanzierung von dem Text erfolgte nicht, eine Diskussion über den Wert der Pressefreiheit und die Folgen von Zensur für die freie Jugendarbeit blieb aus.

Neben diesen Konflikten gab es noch eine Menge weiterer ähnlich gelagerter und eine Reihe, die auf der Verwaltungs- und Organisationsebene gelaufen sind. Themenschwerpunkte waren: Geldforderungen, Schanklizenz, Haus der offenen Tür, Rechtsfragen, den Verein betreffend.

Vereinsmeierei

Die Provinzialität und Kleinlichkeit solcher Auseinandersetzungen mit der Stadt stehen in keinem Verhältnis zu der Anerkennung soziokultureller Arbeit, die sich landauf, landab zu wesentlichem Bestandteil von Kulturarbeit überhaupt entwickelt hat. Die besondere Blindheit der Stadt zeigt sich darin, daßi sie bis heute nicht begreift, genau diese Auseinandersetzungen als produktive Äußerung der soziokulturellen Arbeit zu verstehen. Was ursprünglich als gegenseitige überregionale Interessenwahrung einzelner Zentren (KOMM-Nürnberg, BÖRSE-Wuppertal. ESCHHAUS-Duisburg) eingerichtet wurde, hat sich inzwischen als anerkannte Organisation auf Bundesebene, der Bundesvereinigung soziokultureller Zentren, als einen der bedeutensten Kulturträger etabliert.

Mitgliedschaften und Kooperationen

Wir sind Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband.

Was unsere Vereinsmeierei betrifft, haben wir Vorbilder: Die Großindustrie im Spätkapitalismus, die sich ebenso wie wir den verschiedensten Gremien, Aufsichtsräten, Vereinen und Verbänden, Gesellschaften, Stiftungen, Clubs u.ä. tummeln. Wir unsererseits sind Mitglied und kooperieren mit: Regionalzusammenschlüsse der Jugendzentren / AG SPAK; LAG/NRW; Stadtjugendring; Kulturpolitische Gesellschaft; Netzwerk; Ökofonds; Bundesamt für Zivildienst; verschiedene ökumenische Dienste; Diebels Alt; Niederrhein-Gold; Weinladen; Metro; Fußballverein Schwarz-Rote-Socke; Barmer Ersatzkasse; Arbeitsamt; Colonia Feuerversicherung; Basis-Druck.

Multinationale Verbindungen: Rank Xerox; IBM; Rote Fabrik Zürich; Michelin Reifendienst.

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 06. Juni 2008