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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Eilhardshof

GENERATIONSÜBERGREIFENDES WOHNPROJEKT

Der Eilhardshof braucht Hilfe

Für unsere Jubiläumsausgabe im Oktober 2009 wurde auch der Eilhardshof um einen Text gebeten. Horst Stowasser sagte ihn zu, starb aber tragischerweise am 30. August 2009. Dieser Beitrag hat nun einen ganz anderen Charakter, denn das von Horst mitinitiierte Projekt steckt in Schwierigkeiten und bittet die CONTRASTE-LeserInnen um Hilfe.

Von Michel Boltz, Neustadt/W. # Du läufst an einer Mauer entlang, trittst durch eine kleine Tür und stehst erst einmal mit großem Staunen in einem Garten. Der wird von der riesigen Blutbuche beherrscht, die einen langen Tisch mit vielen hingewürfelten Sitzgelegenheiten und ein selbstgezimmertes Spielhaus vor einem Sandkasten beschattet. Dahinter erkennst du eine Feuerstelle, die von ein paar abgesägten Baumstümpfen umringt ist, hinter denen eine Kräuterschnecke etwas verschämt unter dem Laubhaufen hervorblinzelt.

Du stehst im Eilhardshof, dem ehemaligen Anwesen des Tuchfabrikanten Oehlert, dessen Familie sich vor über 250 Jahren im Neustädter Ortsteil Schöntal ein Heim gleich neben der Fabrik hat bauen lassen. Nach dem 2. Weltkrieg ging es mit der Produktion bergab, das Anwesen wurde verkauft. Der Verfall war nun schneller als die Maßnahmen zur Instandhaltung, und im Jahr 2007 wurde das Ganze erneut verkauft – schlappe 500.000 Euro zahlte die Eilhardshof- GmbH für das Anwesen.

Hinter dem geschäftsfähigen Namen verbirgt sich eine muntere Gruppe durchaus lebensfroher Menschen, die ein besonderes Lebens- und Wohnkonzept verwirklichen wollen. Sie möchten das Haus samt Grundstück gemeinschaftlich bewohnen und dabei so viel Privatraum wie nötig und so viel Gemeinschaftsfläche wie möglich haben.

Die Zusammensetzung der Gruppe ist so vielfältig wie ihre Ansprüche an Wohnraum: Die junge Familie sucht ein Haus, in dem auch andere Leute mit Kindern wohnen, die Wohngemeinschaft möchte eine große Wohnung mit vielen Zimmern und großer Gemeinschaftsküche, die politisch engagierte Neustädterin braucht eine Single-Wohnung mit vielen Menschen in der Nähe, der Musikliebhaber sucht eine Wohnung mit Salon zum gemeinsamen Musizieren, die Kulturschaffende wünscht sich eine große Bibliothek, in der man auch mal eine öffentliche Lesung veranstalten kann, und der Historiker hat ein Archiv mit anarchistischer Literatur, das er dringend der Öffentlichkeit nutzbar und zugänglich machen möchte.

Allen gemeinsam ist: Sie wollen ihre eigene Wohnform im großen gemeinsamen Rahmen verwirklichen, ohne dass jemand anderes darüber bestimmt, ob sie auf Parkett oder auf PVC laufen, und damit reich wird. Und sie wollen sich in ihrer Vielfalt und ihren Möglichkeiten gegenseitig unterstützen, mit Ideen bereichern, aus Nöten helfen und vor Einsamkeit bewahren. Die Jüngste ist 2 Monate alt, die Älteste 76 Jahre, zusammen sind es 30 Leute.

So, jetzt komm rein und setz dich gleich in der Küche auf das Sofa – Vorsicht, da ist gestern ein bisschen Putz von der Decke gekommen. Ja, leider ist das Haus eine Baustelle, in der an allen Ecken und Enden Arbeit wartet. Bis vor kurzem ist auch geschafft worden: Handwerker haben den Boden ausgehoben und Leitungen verlegt, Fenster ausgebaut und hergerichtet, Kabel gezogen, Balken freigelegt und repariert, Dächer abgedeckt und Sparren ausgewechselt. Der Architekt hatte das ganze Ensemble, bestehend aus 5 Gebäuden, die ineinander verschachtelt, über halbe und ganze Treppen verbunden und über verschiedene Eingänge zugänglich sind, so geplant, dass jeder und jede der künftigen MieterInnen das bekam, was er oder sie wollte. Dabei sollten bis auf eine Wohnung alle auch mit Rollstuhl begehbar sein, und der Pellet-Ofen sollte das ganze Haus mit nachwachsendem Brennstoff beheizen.

Ein gutes Jahr ging seit dem Kauf mit diesen Arbeiten ins Land, dann hatte der Architekt den Bauantrag fertig. Die Neustädter Baubehörde hatte noch verschiedene Fragen und Bedenken, und im Juni 2009 war die erste Teilbaugenehmigung da. Inzwischen waren aber einige Dinge zutage getreten, die dem Architekten Falten auf die Stirn trieben. Zu viele Decken, die komplett ausgeräumt, zu viele Balken, die gewechselt werden mussten, sorgten für schlechte Stimmung auf der Baustelle, Warten auf die Baugenehmigung, Kompetenzgerangel und fehlerhafte Kostenkalkulation taten das ihre.

Inzwischen lagen die geschätzten Kosten um 70% über dem, was zu Beginn geplant war. Das Vertrauen zwischen Bauherrn, Bauleitung und dem Architekten schwand, bis dieser aus dem Projekt ausstieg und seine Mitarbeit aufkündigte. Die Eilhardshöfler kündigten ihrerseits dem Architekten und engagierten »evaplan «, ein Architektinnen-Büro aus Karlsruhe, das schon ähnliche Projekte erfolgreich betreut hat. Trotzdem hatte die Eilhardshof-GmbH jetzt ein fettes Problem: Das ganze schöne Wohnprojekt ließ sich nicht mehr finanzieren.

Die Finanzierung stand ursprünglich stabil da: Das Land Rheinland-Pfalz förderte das Projekt mit 415.000 Euro für soziales, generationsübergreifendes barrierefreies Wohnen in städtischen Mittelzentren, weil es sich um ein soziales Projekt handelt, in dem die Mietobergrenze von 4,65 Euro/qm nicht überschritten wird. Die Umweltbank in Nürnberg stellte über die KfW-Bank zinsgünstige Kredite in Höhe von insgesamt 1,3 Mio Euro aus den Programmen CO2-Sanierung und Wohnraummodernisierung zur Verfügung. Den Rest von 600.000 Euro wollten die künftigen Bewohner als Direktkredite selbst aufbringen bzw. sich von Freunden und Unterstützern leihen. Dazu wurden 200.000 Euro als Wert der Eigenleistung veranschlagt. Das Mietshäusersyndikat in Freiburg wurde an der GmbH zu 49% beteiligt, um eine profitorientierte zukünftige Privatisierung zu verhindern.

Nun klaffte eine Deckungslücke von 900.000 Euro, weil die Baukosten um diesen Betrag teurer werden würden als geplant. Die Lücke war nicht durch größere Eigenbeteiligung zu schließen, denn die künftigen Bewohner hatten bereits all ihr Geld als Direktkredit gegeben.

Ja, es ist kalt in unserer Küche, wir können den elektrischen Heizlüfter anmachen, aber das täuscht nicht darüber hinweg, dass die Kälte die Beine hoch kriecht. Du stehst auf und läufst ein wenig im Kreis um den Tisch. Setz dich doch vor den Radiator, das Ende willst du doch jetzt auch noch hören.

Mehr Geld von Bank und Land? Nur gegen höhere Sicherheiten in Form von Bürgschaften und einem abgesicherten und glaubwürdigen Finanzkonzept. Kostensenkung durch sparsames Bauen? Na dann eben nur halb so viel Gemeinschaftsfläche und keine Schnörkel. Ist das dann noch, was wir wollten?

Komm, gehen wir in die Jurte, die draußen im Garten steht, und begrüßen die übrig gebliebenen Projektmitglieder. Die Gruppe ist nämlich am bröckeln: Einige sind gegangen, weil sie nicht für den Betrag bürgen können, den die Bank von jedem einzelnen verlangt. Andere haben zwar gebürgt und sich bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit mit Krediten verpflichtet, wissen aber noch nicht, ob sie sich das Wohnen im Eilhardshof noch leisten können werden. Denn die erlaubte Mietsteigerung wird nach wenigen Jahren zu einer Gesamtbelastung von knapp 6 Euro/qm, incl. Gemeinschaftsflächen bis zu 7,50 Euro/qm führen; das ist zwar noch innerhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete, aber für einige halt dann doch schon zu teuer.

Und hier, liebe Besucherin, lieber Besucher, kommst du ins Spiel:

Wir brauchen dich! Deine Unterstützung zur Rettung eines sozialen, generationsübergreifenden Wohnprojekts, das auch Heimat des »Anarchivs« ist, einer der umfangreichsten Sammlungen von Dokumenten, Zeitschriften und Literatur zum Anarchismus mit deutschsprachigem Schwerpunkt in Europa. 1 Mio Euro, darunter Direktkredite von wohl gesonnenen Freunden und selbst beteiligten Anwärtern, Zuschüssen vom Land und Krediten von der Bank, sind schon in Kauf und Bau vergraben. Dieses Geld ist verloren, wenn wir pleite gehen, und unser Traum vom gemeinschaftlichen, herrschaftsfreien Wohnen in Eigenverantwortung auch. Hilf uns! Wir brauchen Direktkredite ab 500 Euro. Jetzt. Dazu gibt’s heißen Tee.

Mehr Infos: www.eilhardshof.de

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 28. Dezember 2009