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Editorial

EDITORIAL

Basisdemokratie – aber wie?

Die Schweizerinnen und Schweizer haben entschieden: »Die Bundesverfassung wird wie folgt geändert: Der Bau von Minaretten wird verboten«. Ganz basisdemokratisch. Der Bundesrat hatte in den Erläuterungen zum Volksentscheid ausgeführt: »die Initiative verletzt wichtige vertraglich garantierte Menschenrechte und steht im Widerspruch zu zentralen Grundrechten unserer Bundesverfassung«.

Trotz so schwerwiegender Bedenken war dieser Volksentscheid zugelassen worden. Für die gleichzeitig stattfindende Abstimmung »Für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten« hatte der Bundesrat ebenfalls zur Ablehnung geraten. Dieser Empfehlung folgte die Bevölkerung und das Anliegen fand keine Mehrheit. Für die Kriegsindustrie und gegen Minderheiten – so entschied die Basis.

Entscheidungen von ganz unten, von allen, statt autoritätsstaatlicher Vorgaben oder repräsentativer Stellvertreterentscheidungen – war das nicht immer ein wichtiges Ziel? Aber gab es nicht auch ebenso die Angst vor dem, was – einmal losgelassen – vielleicht in eine ganz andere Richtung losgehen könnte, als aufgeklärte BasisdemokratInnen sich das so vorstellen?

Im kleineren Kreis, in Vereinen oder Genossenschaften, können Satzungsänderungen nur von einer qualifizierten Mehrheit der Mitglieder beschlossen werden. Allerdings im Rahmen der geltenden Gesetze, und darüber entscheiden im Zweifelsfall die Gerichte. Probleme entstehen in der Praxis eher nicht durch zu viel Selbstorganisation, sondern durch Intransparenz und mangelnde Basisdemokratie.

Wenn nun die Mitglieder der Schweiz beschließen, ihre Satzung zu ändern, ist die letzte Instanz, die ihnen Einhalt gebieten könnte, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Nur er könnte die Verfassungsänderung verhindern. Eine europäische juristische Instanz als Hoffnungsträger?

Ein Volksentscheid hat in der Schweiz einen längeren Vorlauf. Da muss zuerst ein Gesetzestext ausgearbeitet und mit den zuständigen staatlichen Stellen formal abgestimmt werden, dann gibt es eine Unterschriftensammlung zur Zulassung des Volksentscheides, und erst wenn die erfolgreich war, kann der Entscheid selbst durchgeführt werden, unabhängig davon, ob der Bundesrat dem zustimmt oder nicht. In Deutschland gibt es Volksentscheide nur auf Ebene der Bundesländer und Kommunen.

Längere Verfahrenswege können verhindern, dass PopulistInnen Themen besetzen und im Schnelldurchgang emotionalisiert durchpeitschen. Aber für eine langandauernde gesellschaftliche Debatte – der Verfahrensweg des Minarettverbots in der Schweiz war mit 16,5 Monaten relativ kurz – braucht es einen langen Atem. Menschen werden bekanntlich nicht mit Meinungen geboren, sondern Meinungen werden gemacht. Also ist eine emanzipatorische Bildungs- und Medienarbeit gefragt.

Wer kann diese Arbeit leisten? Wo sind gesellschaftlich relevante Akteure, die über die nötigen Ressourcen verfügen, um ein Thema kontinuierlich entwickeln und vermitteln zu können? Wer hat Zugang zu den meinungsbildenden Medien? Letztlich geht es doch immer wieder um die Frage der Deutungshoheit, um die Macht über die Köpfe: Wer erklärt die Welt?

Elisabeth Voß

 

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Stand: 28. Dezember 2009