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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Diskussion Wintertage

Zur Diskussion bei den Wintertagen:

Kooperation, Konkurrenz – ja, aber, wie?

Natürlich bin ich ungeduldig. Schließlich arbeite ich schon ca. 16 Jahre im Kollektiv und der Rahmen wird mir manchmal zu eng. Dabei brauchte ich mir wahrscheinlich gar keine Sorgen zu machen, wenn ich mir anschaue, wie sehr sich die kollektive Organisation innerbetrieblich inzwischen entwickelt hat, relativ komplexe Arbeitsprozesse können reibungslos und gleichberechtigt abgewickelt werden.

Aber das was jetzt kommen müßte ist wieder ein neuer Schritt, fast so schwer, wie die Gründung der Kollektive selbst und an seiner Notwendigkeit bestehen Zweifel: Überbetriebliche Kooperation.

Es stellt sich die Frage, ob wir sie nur aus der Notwendigkeit heraus entwickeln wollen, oder ob die Verbindung zu anderen Menschen und Gedanken, Arbeitsprozessen, Organisationsformen Antrieb sein kann.

Maschinenmarkt

Mit der Diskussion von Kooperation und Konkurrenz bei den Wintertagen haben wir uns jedenfalls schwer getan. Am leichtesten war es noch mit Maschinen und Geräten: Im Wandelsblatt soll künftig ständig eine Rubrik erscheinen mit Gebrauchtgeräten, die frei werden oder gesucht werden. Und alle werden gebeten, in ihrer Region Umschau zu halten, wo Geräte günstig frei werden, und die Kollegen, die am Suchen sind, davon zu verständigen. (Es geht dabei z.B. auch um Firmenauflösungen, bei denen besonders günstig einzukaufen ist).

Ausbildung...

...wurde kurz angesprochen. Einerseits geht es um die reguläre Ausbildung über IHK oder Handwerkskammer. Offenbar steigt das Interesse daran in den Betrieben, doch die Information fehlt. Sie muß zusammengetragen werden: Welche Betriebe bilden schon offiziell aus und haben Erfahrungen? Wie sind die offiziellen Bedingungen? Wie sieht es mit der Überbetrieblichen Ausbildung aus, wenn die einzelnen Betriebe keine genügend breiten Arbeitsmöglichkeiten haben?

Überbetriebliche Weiterbildung

Immer wieder bin ich auch am Rande der Wintertage nach Möglichkeiten von Praktika in unserem Betrieb (Oktoberdruck) gefragt worden. Und die von meiner Kollegin Gunda angebotene AG über Qualitätskontrolle und Druckformherstellung bei uns war eine der am besten besuchten AGs des Branchentreffens. Zum gegenseitigen Vermitteln von Kenntnissen besteht Bereitschaft, und sicherlich haben nicht nur wir bei Oktoberdruck Erfahrungen. Das Wandelsblatt bietet sich für einen gegenseitigen Erfahrungsaustausch an, und auf dem nächsten Branchentreffen wollen wir damit weiter machen.

Es stellt sich die Frage, welche Betriebe evtl. gemeinsam ausbilden wollen und wer für einige Zeit einen Praktikumgsplatz sucht oder anbieten will. Eine Liste über vorübergehende Arbeitsplatztausch-Interessenten (In-, Ausland) wird es demnächst von mir geben.

Gemeinsamer Materialeinkauf –

– um Geld zu sparen – wurde andiskutiert, und sofort wieder verworfen. Nicht erprobt und auch bisher nicht weiterverfolgt ist die Möglichkeit, gemeinsam mit Lieferanten über die gemeinsame Gesamtmenge z.B. von Repromaterial, Druckplatten, Farbe, Papier zu verhandeln, um sie dann mit höheren Rabatten getrennt beliefern und abrechnen zu lassen. Vermutlich muß erst ein Betrieb mit erheblichen Vorleistungen den Vorteil beweisen, bevor so was ernsthafter diskutiert werden wird (?). Die Erfahrungen der VUP mit ihrem gemeinsamen Papiereinkauf und den daraus gezogener Vorteilen reichten als Argument nicht aus, da es sich beim Umweltpapier um ein einziges Produkt und einen Lieferanten handelt.

Gemeinsame Herstellungsgesellschaft

Eine gemeinsame Herstellungsgesellschaft für die Finanzierung, Risikoteilung und gemeinsame Produktion von Verlagsprodukten wird seit geraumer Zeit bereits von Hamburger Kollegen angestrebt. Sie soll dem Angebot der Fuldaer-Verlags-Anstalt, um lange Zahlungsziele gewähren zu können, gleichziehen durch einen gemeinsamen Fond, aus dem die Produktion vorfinanziert werden kann. Einen ausführlichen Bericht über dieses inzwischen zwei Jahre alte Projekt soll in einer der nächsten Ausgaben des Wandelsblattes erscheinen, wenn (hoffentlich) konkrete Vertragsabschlüsse vorliegen.

Da die Finanzierung ein allgemeines Problem beim heiß umkämpften Büchermarkt ist, bestand für dieses oder ein ähnliches Projekt breites Interesse.

Könnte es tatsächlich möglich sein, vielleicht gemeinsam mit Buchvertrieben und Verlagen einen Finanzierungsfond aufzubauen? (Oder sollten wir lieber verzichten, damit das Verlagsrisiko letztlich zu übernehmen?)

Markenzeichen Kollektivarbeit?

Während bisher mit Markenzeichen die stoffliche Zusammensetzung oder Herstellungs- und Gebrauchsqualität und inzwischen auch die Umweltfreundlichkeit als ganz neuer Aspekt kennzeichnend werden, geht es beim Markenzeichen Kollektivarbeit um die Kennzeichnung der sozialen Bedingungen, unter denen unsere Produkte entstehen. So könnte auch die Bereitschaft wachsen, gezielt in selbstverwalteten Betrieben drucken zu lassen.

Unübersichtlichkeit und Chaos

Doch vorläufig gehen selbst die uns sicherlich wohlgesonnenen Grünen und Alternativen Listen noch weitgehend bewußtlos mit dieser Frage um, werden die Aufträge nach privaten Beziehungen, Gewohnheit oder rein praktischen Gesichtspunkten vergeben. Beschlüsse, bei Auftragsvergabe Kollektivbetriebe zu bevorzugen, wären sicherlich auf Mitgliederversammlungen der Grünen leicht durchzusetzen, aber kaum zu kontrollieren, geschweige denn zu definieren, wer nun gemeint ist. Soweit einige Argumente pro Markenzeichen für Kollektivarbeit. Doch schon bevor wir dazu kommen, ein Modell dafür zu entwickeln, wie ein solches Zeichen organisiert und geschützt werden könnte, türmen sich die wichtigsten Gegenargumente:

Markenzeichen oder Warnsignal?

Qualität und Zuverlässigkeit vieler Betriebe ist noch so schlecht einzuschätzen, daß ein gemeinsam propagiertes Zeichen schnell verdorben werden könnte. Der Hinweis auf Kollektivarbeit könnte zu einem Warnzeichen werden, welche Betriebe zu meiden seien. Auch, wenn Schwerpunkt des Markenzeichens für Kollektivarbeit die sozialen Bedingungen der Produktion sei, normale Qualitätsmerkmale könnten nicht vernachlässigt werden. (Versammelt waren ausschließlich Leute aus Kollektiven grafischer Betriebe bei unserer Diskussion!)

Eine allgemeine Qualitätsgarantie sei nicht ohne Eingriffe in die Autonomie der Betriebe, ohne Kontrolle und Verwaltung des Markenzeichens machbar. Eine Bürokratie würde man auch für die Vergabe und Mißbrauchskontrolle benötigen.

Und schließlich würden gerade höhere Qualitätsmaßstäbe, wenn sie mit dem Markenzeichen kämen, die Bedingungen für die schwächeren Kollektivbetriebe eher noch verschlechtern, der Konkurrenzkampf untereinander zunehmen.

Brauchen wir einen Verband?

Die Diskussion war damit wieder an dem Punkt angelangt, ob wir eher nur kleine regionale Zusammenarbeit anstreben sollten, die in manchen Gegenden wie Harnburg und Baden-Württemberg in Ansätzen vorhanden ist, in anderen dagegen nicht, oder ob letztlich die Dichte der überhaupt kooperationswilligen Betriebe so gering ist, daß nur eine bundesweite Zusammenarbeit genug Gewicht auf die Waage bringen könnte. Würde es sich lohnen, die verschiedenen vorstehend genannten Kooperationsmöglichkeiten in einem gemeinsamen Verein zusammenzufassen? Vorerst sprach die Stimmung eher dagegen. Zu unbestimmbar sind noch die gemeinsamen und gegensätzlichen Interessen, als daß sich die Aufgaben überhaupt genau genug formulieren ließen.

Die Diskussion geht im Frühjahr weiter!

Ein allgemeines Interesse bestand aber an der Fortsetzung der Diskussionen – nicht erst bei den nächsten Wintertagen in einem Jahr. Es wurde daher beim Abschlußplenum beschlossen, in einem viertel Jahr ein weiteres überregionales Branchentreffen zu organisieren. Stattfinden wird es im ehemaligen KBW-Haus in Frankfurt, damit leichter erreichbar als Berlin und mit der Möglichkeit, ebenfalls auch einige technische Demonstrationen in Arbeitsgruppen anzubieten.

Die Zahl der Themen wird sehr begrenzt sein, um eine möglichst intensive Arbeit zu ermöglichen. Folgende wurden bisher genannt:

1. Gesundheitliche Belastung am Arbeitsplatz, Abfallbeseitigung oder Verwertung. (Der Bereich der Belastung durch Lösungsmittel und Gase wird durch die Kollegen vom Carodruck vorbereitet)

2. Kooperation zwischen den Betrieben: Markenzeichen und Qualitätsprobleme, Finanzierungsfond für Buchproduktionen

3. Ausbildung und überbetriebliche Weiterbildung

4. Einsatz von UWS-Papier und die Zusammenarbeit mit der VUP.

Die Ergänzung und Präzisierung sollte in den nächsten zwei Monaten auf den Branchenseiten des Wandelsblattes erfolgen.

Constantin Bartning

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 28. Dezember 2009