Contite1.jpg (10220 Byte)

CONTRASTE IM MÄRZ 2013: Selbstbestimmt arbeiten · Interview mit Frigga Haug - Kompass für die politische Praxis: Die Vier-in-einem-Perspektive · Recht auf Arbeit? - Das Ganze des Lebens · Offenes Technologie-Labor: Neue Arbeit - Neue Kultur = OTELO · Parecon versus Peer-Produktion - Michael Albert: Beschreibung von Parecon - Christian Siefkes: Meine Zweifel an Parecon · Gedanken zu Wertewandel und Grundeinkommen - Von der Arbeit und Leistung  zu Freiwilligkeit und Füllebewusstsein +++ Breite Solidarität gegen Zwangsräumung in Berlin-Kreuzberg: "Die Häuser denen, die drin wohnen" +++ elis.corner: Körperliche Arbeit +++ 8. Stuttgart Open Fair - Endstation: Alle einsteigen! · Gründungskonvent zum BürgerInnenparlament: Rückbesinnung auf die "res publica" +++ Libertäre Bildung als Kristallisationspunkt für AktivistInnen, Theorie-Orientierte, pragmatische UtopistInnen und Betroffene: Gemeinsam radikaler hinterfragen +++ Netzwerk News: Zu viel vom Schlechten - Herrschaftskritik aus linksradikaler Sicht +++ Herrschaftsfreie Ökonomie: Geld und Eigentum abschaffen! - ... und warum das noch lange nicht reicht! +++ Sich gegenseitig unterstützen - Herrschaftsverhältnisse aufkündigen, Teil 2: Sabotage im Alltag +++ Politikwissenschaft: Fachbuch zur Piratenpartei  +++ Ticker Repression und Rechtsfälle +++ Kritik der vereinfachten Welterklärungen (den Kopf entlasten - Teil 5) Gesammelte Beispiele - "Verschwörungstheorien"  vorgestellt +++ Bürgerenergie Berlin eG: Regional - erneuerbar - bürgereigen - Genossenschaft will das Stromnetz der Hauptstadt in Bürgerhand organisieren · Bürgerenergiegenossenschaft Wolfhagen eG: Genossenschaftliches Vorzeigemodell auf gutem Weg - Stadtwerkebeteiligung wird realisiert +++ u.v.m.

Monatszeitung für Selbstorganisation

 

Home Nach oben Bestellungen

Dezember 2010

Aus dem Inhalt
Strike Bike Konkurs

VON DER VIELFALT ANDEREN WIRTSCHAFTENS INNER- UND AUSSERHALB DER MARKTWIRTSCHAFT

Solidarische Ökonomie hat viele Gesichter


                                                                                                                                                    Foto: Oliver Voß

Was die verschiedenen Formen Solidarischer Ökonomien eint, ist das Wirtschaften für die Menschen statt für den Profit. Das heißt es geht nicht darum, Gewinne zu erzielen, sondern darum, Produkte herzustellen oder Leistungen zu erbringen, die konkrete menschliche Bedürfnisse befriedigen.

Von Hartwig Daniels (Mainz) und Elisabeth Voß (Berlin) # Die Beziehungen dieser solidarischen Wirtschaftstätigkeit zur dominierenden Marktwirtschaft können sehr unterschiedlich sein. Die Bandbreite der Akteure reicht von genossenschaftlichen Unternehmungen, die in der marktwirtschaftlichen Konkurrenz bestehen und deshalb auch Überschüsse erwirtschaften müssen, über öffentlich geförderte Sozialprojekte bis zu Formen von Produktion oder Dienstleistungen jenseits des Marktes, die den Eigenbedarf Einzelner oder bestimmter Gruppen – etwa Nachbarschaften – decken.

Der Begriff »Solidarische Ökonomie« wurde in den 1970er Jahren von Luis Razeto in Chile geprägt. Er untersuchte kleine Selbsthilfeunternehmen von marginalisierten Menschen und fand heraus, was auch Erfahrungen hierzulande bestätigen: es liegt vor allem an den Beteiligten selbst und ihrem Umgang miteinander, ob ihr Vorhaben dauerhaft lebensfähig ist. Erschwerend kommt hinzu, dass Vorhaben der Solidarischen Ökonomie sich innerhalb einer dominierenden Marktwirtschaft entwickeln müssen, die auf Gewinnorientierung und Konkurrenz basiert und die dem Zwang zu wirtschaftlichem Wachstum unterliegt. Von ihr geht oft eine Bedrohung aus. Wir verstehen Solidarische Ökonomie jenseits der Betrachtung einzelner mikroökonomischer Beispiele daher auch als grundlegenden Gesellschaftsentwurf, als politisches Projekt. Neben einzelnen Betrieben und Projekten, die basisdemokratisch und nutzenorientiert arbeiten, geht es uns auch um den makroökonomischen Blick auf öffentliche Unternehmen, ganze Volkswirtschaften und internationale Beziehungen, die sich an Grundwerten wie Solidarität und Menschenrechten für ausnahmslos alle Menschen auf dieser Welt – sowohl die heute Lebenden als auch zukünftige Generationen – orientieren.

Aspekte der wirtschaftlichen Selbsthilfe am Markt sind zum einen Versuche, bessere oder günstigere Produkte herzustellen, als sie am Markt verfügbar sind, zum anderen die Schaffung von existenzsichernden Arbeitsplätzen zu würdigen Bedingungen. Dabei kommt es zur Aufhebung der Rollen von ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen, die Menschen arbeiten selbstverwaltet und selbstbestimmt. Carl Davidson skizziert anhand von 10 Projektbeispielen die Vielfalt solcher Selbsthilfeunternehmen in den USA. Hartwig Daniels stellt die Attac-Kampagne »Betriebe in Belegschaftshand« vor. Sie setzt sich dafür ein, dass in Deutschland bessere gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen zur Fortführung von Betrieben durch die Belegschaften geschaffen werden, deren Eigentümer wechselt, oder die durch Insolvenz bedroht sind.

Judith Dellheim gibt einen Einblick in Strukturen Solidarischer Ökonomien in Mittel- und Osteuropa, die im Spannungsfeld von wirtschaftlicher Not, internationaler Unterstützung und politischen Auseinandersetzungen eigene Wege und eigene Begrifflichkeiten entwickeln. Dazu gehören auch Kämpfe um Ressourcen der Daseinsvorsorge und die Bewahrung und Bewirtschaftung öffentlicher Infrastrukturen. Diese spielen ebenfalls eine wichtige Rolle in Lateinamerika, und Kerstin Sack zeigt darüber hinaus auf, wie dort internationale solidarische wirtschaftliche Strukturen aufgebaut werden von Regierungen, die zumindest partiell aus der Staatenkonkurrenz austreten, weil sie verstanden haben, dass die Bedürfnisse ihrer Bevölkerungen besser mit- als gegeneinander befriedigt werden können.

Jenseits der Marktwirtschaft scheint eine Aufhebung der – aus der kapitalistischen Wirtschaftsweise resultierenden – Trennung von Produktion und Reproduktion auf. In ihrem Überblick über die noch kleine CSA-Bewegung in Deutschland (CSA = Community Supported Agriculture) zeigt Dagmar Embshoff, dass es hier um gemeinschaftliche Selbstversorgung geht, und nicht um Aktivitäten am Markt. Der Beitrag von Ulrike Knobloch über Care Ökonomie verdeutlicht die Vielfalt von Sorgetätigkeiten sowohl in Produktion und Reproduktion, als auch darüber hinaus. Wichtig ist hier auch der Blick auf die Geschlechterverhältnisse.

In der Vielfalt Solidarischer Ökonomien ist es aber letztlich immer die einzelne Person, die als handelndes Subjekt – allein oder gemeinsam mit anderen – die Welt gestaltet. In diesem Sinne stellt Franziska Kohler die Anregungen, was jede und jeder selbst tun kann, des österreichischen Attac-Aktivisten Christian Felber vor.

Schwerpunktthema Seite 7 bis 10.

Weitere Beiträge folgen: Im Januar 2011 von Elisabeth Voß zu Umsetzungsstrategien für Solidarische Ökonomien und im Februar 2011 von Hartwig Daniels zur Rolle von Gewerkschaften bei Betriebsübernahmen durch Belegschaften.

 

Home ] Nach oben ] Aus dem Inhalt ] Strike Bike Konkurs ]

Senden Sie E-Mail mit Fragen oder Kommentaren zu dieser Website an: CONTRASTE
Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 28. November 2010