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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Debatte

Die Ökobank – Notwendige Einrichtung der Bewegung?

Wenn man die taz aufschlägt, die Netzwerk-Rundbriefe, das WANDELSBLATT oder sogar die FR, alles schreibt und spricht über die Ökobank. Die Bank, die Bewegung in die Bewegung bringen soll. Sie kommt, ob man will oder nicht. Es gibt einen vorläufigen Aufsichtsrat, fast fertige Pläne und sogar personelle „Wünsche von oben". Für mich ein merkwürdiges Verständnis von Basisdemokratie. Hier wird ein „Millionending" konzipiert, der Bewegung vorgestellt, mit einer Hektik und Eile, die viel Unbehagen in mir hochkommen läßt.

Viele Fragen sind für mich offen, angefangen von der Frage, ob „die Bewegung" sie überhaupt will, bis hin zu der Frage, was überhaupt passiert, wenn sie da ist. Welchen realen Nutzen hat sie und entspricht sie den realen Bedürfnissen?

Es fehlt an Geld?

In welcher Höhe ein Geldbedarf vorhanden ist und wofür, ist für mich bislang völlig ungeklärt, ebenso wie die Auswirkungen, die eine Befriedigung eines solchen Bedarfs hätte.

Völlig unbestritten ist, daß einer vorhanden ist, weil an alten Maschinen produziert wird, die betriebliche Ausstattung vielfach mangelhaft ist, auf einen den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechenden Lohn verzichtet wird, ebenso wie auf notwendige soziale Absicherung. Der Arbeitstag ist oft länger als 8 Stunden, weil die Betriebsmittel eine effektivere Arbeit nicht erlauben, und der Druck der Konkurrenz, sowohl aus der eigenen Scene sowie den traditionellen Betrieben, teilweise enorm ist.

Auch in Bremen wurde, als es um Forderungen an den Bremer Senat ging, schnell ein Bedarf von 5,7 Millionen DM ermittelt. Nur zwischen der Ermittlung eines möglichen Bedarfs und den real notwendigen Mitteln ist ein himmelweiter Unterschied.

Völlig außen vor ist das Problem — und ich bin sicher, daß es ein Problem wird -, was passiert, wenn die Kohle da ist??? Wofür wird sie konkret verwendet und welche Auswirkungen hat das? Wo wollen wir überhaupt hin und wie gehen wir mit Geld um?

In erster Linie geht es doch nicht um die Erhöhung des Einkommens oder die Verbesserung der sozialen Absicherung (Krankheit, Unfall, Berufsunfähigkeit). Hierzu muß der Umsatz erhöht werden, die Konkurrenzsituation verbessert, ein neuer Markt erschlossen, resp. neuer Marktanteil erkämpft werden.

Folglich gehen die Gelder in Hauseigentum, Grundbesitz, Maschinen, Rohstoffe, Halbzeuge, Arbeitsmittel und in den Wareneinkauf. Nur jeder Kredit hat Folgen, er muß nämlich nebst Zinsen zurückgezahlt werden. Das bedeutet, sofern wir noch nicht weiter auf Einkommen und soziale Absicherung verzichten wollen, daß mehr Umsatz gemacht werden muß, egal, wo der Kredit herkommt, auch wenn die Rückzahlungsmodalitäten unterschiedlich sein mögen.

Kredite bedeuten immer einen ökonomischen Druck. Dieser kann aber auch immer dazu führen, daß man seine Prinzipien, die uns von traditionellen Betrieben unterscheiden, sehr schnell aufgibt.

Bei der ganzen Frage nach dem Geldbedarf geht es mir hauptsächlich darum, sich über die Folgen im klaren zu sein und bei der Mittelbeschaffung behutsam und solide mit dem Geld umzugehen.

Wie gehen wir überhaupt mit der Konkurrenz untereinander um, oder mit traditionellen Betrieben? Wie und wofür setzen wir unser Geld ein? Bislang ist mir diese Diskussion viel zu kurz gekommen, als daß ich mich jetzt mit einem „Millionentopf" beschäftigen möchte, der wie ein warmer Regen über die Alternativprojekte ausgeschüttet wird. Wo will die Bewegung überhaupt hin? Noch ein Fahrradladen oder noch eine Tischlerei im Ort? Wie sind unsere Perspektiven? Eine ökonomische Kraft (meinetwegen auch Macht) darzustellen, ist sicherlich ein wichtiger Gedanke. Wo bleiben dabei unsere politischen Inhalte und wirtschaftlichen Überlegungen nebst ihren Folgen?

Zukunft der Bewegung

Für mich kann das Projekt „Ökobank" nur das Ergebnis eines konkreten Bedarfs der Bewegung sein. Abgesehen davon, daß sich unter dem Begriff „Bewegung" alles mögliche subsumiert, unterstelle ich, daß es um eine Bewegung für eine selbstverwaltete Wirtschaft geht. Daß an allen Ecken und Enden Geld gebraucht wird, zieht für mich als Argument für eine Ökobank überhaupt nicht. Bislang haben wir es immer noch geschafft, uns über Wasser zu halten. Wenn es aber darum geht, einen ökonomischen Arm zu schaffen, wo ist dann der politische Arm?

Wir beschäftigen uns mit einem überregionalen Millionending, ohne daß wir uns überhaupt regional organisiert haben. Wenn solche Zusammenschlüsse bestehen, dann in der Regel noch nicht sehr lang. Bevor ich mich aber mit überregionalen Einrichtungen und Zusammenschlüssen befasse, möchte ich dieses erst mal im kleinen tun. Der Aufbau eigener Interessenverbände, der Austausch zwischen den Betrieben, die ökonomische und politische Zusammenarbeit vor Ort ist mir wesentlich wichtiger und notwendige Voraussetzung.

Erst über diesen Austausch können gemeinsame Bedürfnisse formuliert und kollektive Lösungsmöglichkeiten angegangen werden.

So etwas kostet Zeit und so weit sind wir noch gar nicht. Von daher erscheint mir die Ökobank auch als eine Sache, die der Bewegung aufgesetzt wird, weil überhaupt noch nicht von ihr getragen.

Wir haben uns noch nicht einmal auf regionaler Ebene zusammengesetzt und über Geldbedarf und kollektive Geldbeschaffung unterhalten, auch vermittelst eines politischen Drucks, den vielleicht ein solcher Zusammenschluß ausüben kann. Aber wir beschäftigen uns mit einer Ökobank.

Ich bin der festen Überzeugung, daß, solange regional nicht über Zusammenarbeit diskutiert wird, die Ökobank Gefahr läuft, sich zu verselbstständigen und Selbstzweck zu werden.

Netzwerk und Alternativen

Was mir bei der Diskussion auch fehlt, ist die zukünftige Rolle der Netzwerke. Ich habe bislang kein einziges Wort darüber gelesen. Soll die Ökobank die Mittelvergabe der Netzwerke ersetzen oder ergänzen? Soll sie lediglich ergänzt werden, wären dann Überlegungen, den Netzwerken mehr Mittel zur Vergabe zu verschaffen, nicht sinnvoller? Neben der Projektberatung, den Bemühungen um verstärkte Vernetzung, sehe ich die Verteilung finanzieller Mittel in Form von Zuschüssen und Krediten inzwischen als nicht unwesentlichen Bestandteil der Netzwerke an. Ein Bereich, der bereits Strukturen aufweist, Erfahrungen gesammelt hat und durch die Beiräte kontrolliert wird und der m.E. noch eine verstärkte Unterstützung dringend gebrauchen kann.

Darüber hinaus gibt es bislang meines Wissens Bereiche alternativer Geldbeschaffung, die bisher überhaupt noch nicht ausgetestet sind. Verstärkte Direktvermittlung über die Netzwerke, Verbände und Zusammenschlüsse mit Banken, insbesondere der GLS-Bank, den Genossenschaftsbanken etc.. Es gibt schon eine Menge Ideen, aber es liegt an den Projekten selbst, sich zusammenzuschließen und sie kollektiv anzugehen. So etwas kann nicht von oben initiiert werden.

Bei der Ökobank-Diskussion wird immer davon ausgegangen, daß die Projekte brav alleine zu den Kreditgebern marschieren und alleine wenig erreichen. Stimmt, aber das muß doch nicht so bleiben!

Den Banken das Geld wegnehmen

Ich halte dieses Argument für eine Augenwischerei. Gesetzt der Fall, es gäbe eine Ökobank. Die Kollektive haben kein Geld, sie brauchen welches. Die Scene hat auch keines. Bleiben also die Besserverdienenden, welche die Bewegung unterstützen wollen, sei es aus politischen oder Gewissensgründen. Dazu kommen vielleicht noch die Grünen, die Netzwerke (?), und dann? Sie alle bringen also ihr Geld zur Ökobank. Abgesehen davon, daß nun erst einmal ein Teil als Bürgschaft bei der Bundesbank hinterlegt werden muß (und vielleicht direkt in die Rüstung geht), ist den Banken ein vielleicht nicht unerheblicher Teil an Geld entzogen worden. Nun kommen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Menge Anträge von Projekten und Betrieben auf Kreditgewährung, sowie auch von Einzelpersonen.

Was passiert? Ein Teil der Kredite wird sicher genehmigt. Abgesehen davon, daß ich eigentlich wenig Lust habe, den Eigenheimbau oder Autokauf verschiedener Privatpersonen mitzufinanzieren, erhalten die Projekte und Betriebe das Geld. Sie kaufen sich also Maschinen, Rohstoffe, Waren etc. Da es aber keinen alternativen Wirtschaftskreislauf gibt, fließt das Geld nunmehr zurück zu den Banken, von denen es gekommen ist.

Ich finde es unehrlich, als Argument hervorzuheben, man nehme den Banken das Geld weg. Es stimmt so schlicht und einfach nicht! Es geht dorthin zurück, wo es hergekommen ist. Folglich fließt es genauso in die Rüstung, in die Dritte Welt oder werden AKWs finanziert. Es wird lediglich eine Station dazwischen geschaltet.

Weiter wird angeführt, daß die Kreditvergabebedingungen günstiger sein können. Solange wir individuell zu den traditionellen Banken marschieren, mag das sein. Es liegt aber auch an uns, ob wir nicht regional mal den Versuch unternehmen, kollektiv die Bedingungen auszuhandeln. Meines Wissens hat sich die GLS-Bank durchaus positiv hierzu verhalten.

Bevor ich Kraft, Zeit und Geld in eine Ökobank-Gründung stecke, würde ich erst einmal gerne die regional vorhandenen Möglichkeiten austesten und ausschöpfen. Möglichkeiten, die regional von uns gestaltbar und kontrollierbar sind und zudem eine Diskussion unter uns voraussetzen.

Harald Deerberg

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 23. Juli 2008