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Bundestreffen Netzwerke

Meldungen

Berlin: 9./10. November

Bundestreffen der Netzwerke

 „Die Alternativen gründen ihre erste Bank" - schreibt die Frankfurter Rundschau vom 11.11.1985, und die taz fragt am selben Tag: ,,Wohin galoppiert die Wildsau?" Eine Standortbestimmung der Netzwerke war angesagt, und hierfür trafen sich Vertreterinnen und Vertreter von 14 der insgesamt 32 Netzwerke aus Westberlin und der Bundesrepublik. Es gab ein widersprüchliches Bild über Entwicklungen und Schwerpunkte in den einzelnen Städten und Regionen; aber trotz mancherorts stagnierender oder zurückgehender Mitgliederzahlen und der Erschließung anderer Finanzquellen für selbstverwaltete Betriebe und Projekte waren sich alle einig: Die Netzwerke braucht's weiterhin, wenn auch mit einer Aufgabenverschiebung weg von der reinen Geldvergabestelle.

Red. Bremen Die ca. 40 Anwesenden teilten sich in vier Arbeitsgruppen auf, deren Ergebnisse nachstehend kurz zusammengefaßt sind.

In der AG Kreditvermittlung berichteten die Profis von den Berliner „STATTwerken" über den am weitesten fortgeschrittenen Stand ihrer Kreditvermittlung, wobei die schon bekannten Informationen (s. November CONTRASTE, S. 10) um zahlreiche finanzwirtschaftlich-technische Details ergänzt wurden. Einmal mehr wurde dabei deutlich, daß zumindest dieser Teil der Netzwerk-Arbeit eine deutliche Professionalisierung erfordert. Dementsprechend wurde angeregt, häufiger Treffen zum Erfahrungsaustausch unter den Kreditvermittlern durchzuführen. Die Netzwerke wurden gebeten, hierfür die organisatorische Arbeit zu übernehmen. Im Frühjahr soll es nach dem Finanzierungskongreß vom 21.-23. November das nächste Treffen geben. Ebenso wurden Fortbildungsmaßnahmen für die Betriebsberater für notwendig gehalten, wobei die Fortführung entsprechender Angebote durch das ZERP (Zentrum für Europäische Rechtspolitik) in Bremen gewünscht wurde.

Die AG Netzwerk-Arbeit in der Provinz diskutierte vor allem den Mangel an Erfahrungs- und Informationsaustausch innerhalb der „Provinz-Netzwerke" sowie zwischen ihnen und denen aus den „Metropolen". Es geht darum, den Wissensvorsprung in den Metropolen aufzuholen. Mitte! Hierfür wären viel mehr Berichte in CONTRASTE, z.B. über Erfahrungen mit der Direktkreditvermittlung, sowie häufigere problemgebundene Fortbildungsmaßnahmen in den einzelnen Regionen. Es wurde angeregt - das soll über das ZERP geschehen - eine Liste von Fachleuten in CONTRASTE zu veröffentlichen, die bei Bedarf eingeladen werden könnten. Allerdings soll es nicht bei einer Fortbildung durch Fachleute alleine bleiben; es wird angestrebt, die Weitergabe von fachlichen Informationen von Projekten an Projekte zu ermöglichen.

Gerade in der Provinz fehlt häufig der richtige Überblick über die Betriebs- und Projektszene. Wenn bei den Netzwerken an entsprechenden Untersuchungen gearbeitet wird (wie z.B. für Bremen geplant), sollte darüber in CONTRASTE berichtet werden; auch wird die Weitergabe von schon entwickelten Fragebogen für sinnvoll gehalten, damit Doppelarbeit vermieden werden kann, wenn andere Netzwerke gleichartige Untersuchungen betreiben wollen. Die Gründe für z.T. sehr unterschiedliche Entwicklungen der einzelnen Provinz-Netzwerke konnten nicht eindeutig geklärt werden. Das Netzwerk Landsberg z.B. hat in seinem Umfeld relativ wenig Projekte, aber ein paar zentrale Kommunikationsorte und Treffpunkte, wogegen im Bereich des Netzwerks Holstein und Schleswig zahlreiche Projekte arbeiten, die untereinander jedoch viel weniger in Kontakt stehen. Im Norden stagniert die Mitgliederzahl, wogegen die Landsberger einen fulminanten Wachstumsprozeß durchmachten: Vom Sommer 1984 (30 Mitglieder) über Dezember 1984 (80) bis heute (ca. 150 Mitglieder). Es blieb noch offen und darf weiter diskutiert werden, ob's an den Aktiven liegt, an einem Nord-Süd-Mentalitätsgefälle oder am politisch-kulturellen Umfeld.

Mehr Intemas wurden in der Arbeitsgruppe „Netzwerk-Alltag" besprochen. Ein Schwerpunkt war die Problematik der (meist über ABM) bezahlten Netzwerker/innen. Die Einrichtung solcher Stellen war fast durchgängig aus dem Interesse an größerer Kontinuität und Professionalisierung der Netzwerk-Arbeit entstanden. Beides wurde in der Regel auch erreicht, dafür wurden jedoch auch einige Probleme eingekauft: Wie halten wir's mit dem (Netzwerk-Einheits-?)Lohn?; Was geschieht bei Konflikten zwischen Ehrenamtlichen und Bezahlten? (Extreme: Bei den einen muß der ehrenamtliche Vorstand bezahlte Netzwerker ständig anhalten, gemeinsam gefaßte Beschlüsse umzusetzen; bei anderen schafft es der Vorstand kaum, einen Bezahlten von nicht diskutierten Alleingängen abzuhalten). Durchgängig war zu beobachten, daß an die Bezahlten höhere Erwartungen gestellt wurden, was die Gefahr heraufbeschwört, daß die Ehrenamtlichen sich langsam zurückziehen und dann die gesamte Netzwerk-Arbeit in Frage gestellt wird, wenn die Stellen auslaufen. Allerdings wurde auch deutlich, daß viele Konflikte ganz schlicht in den konkreten Personen begründet liegen; und wenn sich manche einfach nicht leiden können oder eine merkwürdige Satzung wie in Köln den Ausschluß der Bezahlten aus Entscheidungen bedeutet, können Konflikte nicht ausbleiben.

Die Anwesenden einigten sich auf die generelle Empfehlung, auf eine angemessene Arbeits(ver)teilung zu achten, vor der Einrichtung bezahlter Stellen klare Zuständigkeiten zu überlegen und vor allem genügend Raum und auch Routinearbeiten für die Ehrenamtlichen zu bewahren. Auf dem nächsten Bundestreffen (beim Netzwerk Bodensee/Oberschwaben oder in Düsseldorf) wird diese Problematik erneut diskutiert.

Ein zweiter Schwerpunkt dieser AG war die Öffentlichkeitsarbeit, die durchgängig verstärkt werden muß. Dabei ging's um zweierlei: Werbung von Mitgliedern und Gewinnung neuer Aktiver. Trotz der Erschließung neuer Finanzquellen werden Netzwerk-Gelder weiterhin für viele Projekte wichtig sein, vor allem für die (z.B. politische Projekte), die keine Chancen auf andere Fremdmittel haben. Auch wenn die Ausweitung von Netzwerk-Aktivitäten (in Beratungen, Politikkontakte, Bildungsveranstaltungen etc.) auch ohne zusätzliche Zahl-Mitglieder möglich ist, soll daher die allgemeine Öffentlichkeitsarbeit verstärkt werden. Bundesweit ist dabei an ein Artikelserie in der taz gedacht sowie an eine Netzwerk-Theater-Tournee im nächsten Jahr, quer durch die Republik, wofür sich zwei Leute aus Berlin bzw. Frankfurt die notwendigen Gedanken machen wollen.

Fast größer ist jedoch das Problem, neue Aktive zu gewinnen. Inzwischen erfordert die Netzwerk-Arbeit häufig viel Fachwissen und Durchblick durch die örtliche/regionale Szene, so daß ein Einstieg in die laufende Arbeit für Neue sehr schwierig wird. Es wurde angeregt, diese Einarbeitungsprobleme dadurch anzugehen, daß neue Aktive zunächst an konkreten, überschaubaren Projekten wie die Organisation von Festen/Benefiz-Konzerten, Bildungsveranstaltungen, Wanderausstellungen usw. interessiert werden sollten.

Die größte Arbeitsgruppe war die zur Staatsknete, in der im wesentlichen ein Austausch der Erfahrungen über die verschiedenen Stadttöpfe (Nürnberg, München, Heidelberg und Düsseldorf) sowie die Länderprogramme (Berlin, Bremen, Hessen) erfolgte. Als zentrale Schlußfolgerungen aus der Diskussion, die noch viele Fragen offengelassen hat, sind zu nennen:

Die Netzwerke werden sich insgesamt stärker in die Verhandlungen um Staatsknete einschalten, um deutlicher ihre Funktion als politische Vernetzungsinstanz herauszustellen. Die Staatsknete-Thematik wird zum festen Bestandteil der weiteren Bundestreffen, da nur hier systematische Zusammenfassungen der Erfahrungen möglich sind. Zwar geht sehr viel Zeit weg für die Diskussionen um das Ob und Wie der Gestaltung der Töpfe, und es werden auch Probleme hinsichtlich der Solidarität, der demokratischen Struktur und des Zusammenhangs der Betriebe und Projekte gesehen, dennoch gibt es bei den Netzwerken kaum grundsätzliche Ablehnung gegenüber diesen Fördermaßnahmen. Jedoch besteht weiter Diskussionsbedarf zu einer deutlicheren Formulierung der „Schmerzgrenze", die in den Verhandlungen mit den staatlichen Stellen nicht unterschritten werden dürfte und ab der die Netzwerke für weitere Verhandlungen nicht mehr zur Verfügung stehen. (Das Problem, daß manche Projekte jedoch „jedes Geld“ nehmen würden, bleibt damit aber unbewältigt).

Es ist notwendig, deutlich zwischen den verschiedenen Töpfen (Bund, Länder, Kommunen) zu unterscheiden, da damit verschiedene Reichweiten und Kompetenzen verknüpft sind. Ebenso muß zwischen der Förderung von sozialen und kulturellen Projekten, die, sie grundsätzlich nötig haben, und der für die wirtschaftlichen Projekte unterschieden werden; für diese haben die Töpfe vor allem die Funktion einer vorläufigen Maßnahme gegen Diskriminierungen, mittelfristig muß ihnen der Zugang zu herkömmlichen Fördermitteln eröffnet werden.

Trotz dieser Unterschiede sollen weiterhin Verhandlungspakete für eine Verbundförderung angestrebt werden, um den Alternativbereich nicht auseinanderdividieren zu lassen. Dies muß jedoch noch besser als bisher begründet werden. Was den Vergabemodus angeht, ist weiterhin das Ziel, die Töpfe selbst zu verwalten; jedoch werden dabei auch Gefahren gesehen, daß zu große Konflikte unter den Projekten entstehen könnten. Positive Erfolge mit der Selbstverwaltung gibt es bei der Förderung sozialer Projekte, schwieriger ist es bei den wirtschaftlichen Projekten. Denkbar wäre auch ein Gremium aus Projekt- und Netzwerk-Vertreter/innen, Leuten aus Behörden, Gewerkschaften sowie neutralen Moderator/inn/en.

Zusammenfassung: Gedämpfter Optimismus bei den Netzwerken. Von Frust und Abgesang braucht nicht geredet zu werden, es gibt viel zu viel zu tun!

Günther Dey (Netzwerk Bremen/Nord-Niedersachsen)

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 04. März 2010