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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Bau

Über Ökobauer und Solarplaner

Anläßlich der Wintertage dieses Jahres in Berlin, in Ansätzen auch schon bei der Projektmesse in Frankfurt' 83, haben wir zum ersten mal Planungsgruppen, Ingenieurbüros und Handwerkskollektive auch in Westdeutschland kennengelernt. Bis heute höchst erfreulich. Bei unseren Treffen wurde zunächst über uns und unsere Arbeit geredet - so allgemeines Kennenlernen usw. Immerhin kam es auf der diesjährigen Projektmesse zu einem Gemeinschaftsstand von Büros aus Berlin, Hannover und Hamburg.

Bislang hat sich erstmals ein konkretes Thema herauskristallisiert - das ökologische Bauen. In Frankfurt gabs dazu eine nicht sonderlich erfolgreiche Diskussion. Es türmt sich ein Berg von Allgemeinwissen, Vorurteilen und aktuellen Modeerscheinungen auf. Das Kork, Jute u.ä. was "biologisches" ist, hat sich irgendwie herumgesprochen. Auf jedem Büchertisch liegen eine Unmenge von Erfahrungsberichten, von denen die meisten leider für die Praxis noch nicht besonders dienlich sind. Beispielsweise sind die Prinzipien der "passiven Solararchitektur" oft recht gut beschrieben. Konkret führt eine unkonventionelle Planung jedoch sofort zu einer Fülle von Detailproblemen, die entweder besonders aufwendig oder - weil billiger - mit jeder Menge Plastik in allen Erscheinungsformen gelöst werden. Nun sollen sich aber derlei Ansprüche weder auf Chefarzt-Villen beschränken noch die "Fluß- und Luftvergiftenden" Umsätze von Bayer-Leverkusen erhöhen. Logische Folge war der Wunsch, auf möglichst breiter Ebene das verstreut aber durchaus vorhandene Wissen um gute und trotzdem billige Lösungen auszutauschen. Mit diesem Ziel wurde Anfang November in Eldagsen bei Hannover ein Wochenendseminar veranstaltet, auf dem sich ca. 25-30 Kollektive und Einzelpersonen getroffen haben (die Handwerker waren glücklicherweise in der Mehrzahl). Wir empfanden die Diskussionen dort als sehr gut - mal abgesehen von dem angenehmen Drum und Dran - diese gastliche Stätte ist wirklich zu empfehlen. Dieses Seminar wird wiederholt und ein weiterführendes ist geplant (s. auch Seminarankündigung in dieser Ausgabe).

Für die Wintertage in Berlin war eigentlich eine ähnlich gelagerte Veranstaltung geplant, wurde aber wieder gestrichen in der Erkenntnis, daß es eigentlich keinen Sinn mehr bringt, auf allgemeiner Ebene über "ökologischen Bau" zu reden, wenn wir bereits solche Seminare zustande kriegen. Ein Problem wird sicherlich die möglichst große Verbreitung der auf solchen Seminaren errungenen Ergebnisse sein. Die Gruppe in Eldagsen würde dies mit Sicherheit überfordern. Wir wollen dies auf den Wintertagen ansprechen.

Es werden wieder die einzelnen Branchentreffs stattfinden, so auch das für Planer. Wir hoffen, daß sich diesmal noch ein paar Gruppen dazugesellen, mit denen wir bis heute noch keinen Kontakt haben.

Kontakt: Baubüro Schöneberg, 1000 Berlin 62, Crellestraße 43, Tel. : 030/781 10 50

Ein anderes Thema möchte ich noch ansprechen: Auf dem erwähnten Seminar in Eldagsen habe ich es als sehr angenehm empfunden, daß Handwerker und Planer zusammensaßen. Solche Gespräche finden viel zu selten statt. Denn beide Gruppen sind betroffen von einem Problem, das uns zunehmend zu schaffen macht: die sich unter dem Druck der äußeren Gegebenheiten immer stärker verhärtenden Umgangsformen am Bau. In Berlin scheint dies besonders nervend - eine Folge des Umstandes, daß hier praktisch jeder Bau mit den entsprechenden Auflagen öffentlich gefördert ist und den durch das Berlin-Förderungsgesetz entstandenen Überkapazitäten auf dem Baumarkt. Wir stehen vor der Perspektive, daß bald jede Garage nur noch über ausgefeilte Ausschreibungen vergeben wird und anschließend mit der Atmosphäre einer Saudi-Arabischen Großbau- stelle hochgezogen wird. Wir müssen mit ansehen, wie mittelständische alte Handwerksbetriebe nicht an fehlender Qualität sondern mangels Cleverness und durch den Kostendruck kaputt gehen und stehen dabei vor der Alternative, dieses böse Spiel mitzuspielen oder selber Pleite zu gehen. Der Konflikt. mit unseren ursprünglichen Ansprüchen wird immer größer: Inhaltlich sollte der Bezug zur Arbeit wieder entstehen, wir wollten für uns die zunehmende Spezialisierung am Bau, die Auftrennung in immer mehr Einzelfachgebiete nicht mitmachen. Darüber hinaus haben wir uns darüber Gedanken gemacht, wie die immer stärker werdenden Hierarchien bei einer Bauleitung zu verhindern sind. Tatsächlich wächst mit der Angst, bei Ausschreibungen und Verträgen über den Tisch gezogen zu werden oder vor dem ständigen Versuch der Bauherren mit allen Tricks die Abrechnungen zu kürzen auch die Angst, selbstverantwortlich Arbeiten durchzuführen, Vereinbarungen mal nicht schriftlich zu treffen usw. Die am Bau beschäftigten Gewerbe grenzen sich peinlich genau gegeneinander ab, gegenüber dem Bauleiter erfolgt manchmal so was wie "Dienst nach Vorschrift".

Die Wohnungsbauförderung in Berlin legt für alle Baumaßnahmen Qualitäts- und Preisstandards vor (vor allem bei dem so gepriesenen Selbsthilfeförderprogramm, das nun auch nach Westdeutschland exportiert werden soll), die kaum miteinander in Einklang zu bringen sind. Das wiederum führt dazu, daß selbst die Selbsthilfegruppen (denen zu- mindest im Ansatz ein bewußteres Vorgehen unterstellt werden sollte) aus lauter Angst vor den fast zwangsläufigen Defiziten einen schweren Kostendruck auf Planer und Handwerker ausüben. In Westdeutschland bemühen sich einige Gruppen, auf kleineren Baustellen alles in eine Hand zu nehmen - offenbar auch mit Erfolg. Von dem weit vorsichtigeren Ziel, eine Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Handwerkern zu fördern, gemeinsam technische Probleme zu beackern und eine in diese Richtung offene Planung zu machen sind wir weit entfernt. Im Gegenteil müssen wir damit rechnen, zur Verantwortung gezogen zu werden, wenn wir nicht in allen Besprechungen mit größtmöglicher Härte und Verhandlungsgeschick vorgegangen sind - Kollektiven oder Normalbetrieben - egal wem gegenüber.

Mit einer Baumeistertradition, von der viele träumen, hat das alles nichts mehr zu tun - auch die zunehmend wieder auftauchende Zimmermannskluft hilft da nicht. Es mag sich kitschig anhören - aber jeder von uns möchte eigentlich mal in halbwegs offener Atmosphäre mit Handwerkern Vereinbarungen per Handschlag treffen und sich dann darauf verlassen können - Is' nicht. Davon, daß in diesem ganzen Heckmeck viele baubiologische Ansprüche auf der Strecke bleiben, will ich gar nicht erst anfangen.

Das alles hört sich erst mal sehr weinerlich an - der böse, böse Markt macht mir alles kaputt! Soll es aber nicht sein, lediglich eine Beschreibung der Situation und ein dringender Vorschlag, dies zu einem Thema des Planer-Branchentreffs auf den Wintertagen zu machen.

Es ist auch zu überlegen, ob nicht ein gemeinsames Treffen mit Handwerkern in Frage kommt. Gerade in Berlin sind wir ja (wie in Westdeutschland mitunter neidvoll festgestellt wird) mit Kollektiven aller Art reichlich gesegnet. Leider gibt es bei der Zusammenarbeit einige Probleme, über die zu reden angebracht wäre. Daß Kollektive bei der üblichen Ausschreibungspraxis meistens nicht mithalten können (was sicher z.T. an der kollektiven Betriebsstruktur liegt), ist die eine Seite. Eine andere ist, daß es oft bei der Arbeit an Professionalität mangelt - was auch noch nachvollziehbar ist - würde dieser Mangel nicht mitunter selbstbewußt kultiviert werden. Das betrifft so banale Dinge wie Arbeitszeit, aber auch das Einhalten von Kostenvoranschlägen und Zeitplänen. Der Handwerksbetrieb "Um die Ecke" ist manchmal wirklich bewußt vorzuziehen - und so sollte das ja eigentlich nicht sein.

Es geht dabei nicht darum, den Kosten- und Zeitdruck, den ich eben noch beklagt habe, auf andere abzuwälzen. Wir stehen aber sehr oft in der Situation, irgendwelchen Kunden die Arbeit von Kollektiven verkaufen zu wollen. Wir haben schon die größten Schwierigkeiten bekommen, wenn anschließend Pfusch abgeliefert wurde. Ich habe auch keine Lust mehr auf den Widerspruch zwischen dem eigenen Ärger und der irgendwie verbliebenen Solidarität mit dem Kollektiv dem Kunden gegenüber. Spätestens an diesem Punkt kommt dann in der Regel der Gegenangriff - die Architekten bzw. Planer hätten ohnehin keine Ahnung vom jeweiligen Handwerk und ihre Anwesenheit wirkte eher störend auf die Arbeit. Das mag oft der Fall sein, aber wir müssen uns das gegenseitig sagen lassen. Ich denke, die bestehende rigorose Trennung zwischen Planung, Bauleitung und Handwerk kann nur verringert werden, wenn zunächst die jeweils eigenen Verantwortungsbereiche gemeinsam definiert werden. Wenn z.B. der Handwerker vom Architekten Ausführungszeichnungen bis hin zum letzten Nagel verlangt, darf er sich hinterher nicht über dessen mangelnde handwerkliche Kenntnis beklagen. Es soll hier und da heute noch so sein, daß der Architekt dem Zimmerer, Maurer oder Installateur die Lösung des einzelnen Baudetails völlig überläßt - ich habe dies leider erst selten erlebt, aber wir möchten wieder dahin kommen. Das entspricht sicher auch eher einem handwerklichen Selbstverständnis.

Über dieses Thema wurde bereits in Frankfurt geredet - ich würde dies gern in Berlin weiterführen.

Axel

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 24. Juli 2008