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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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April04

Aus dem Inhalt
Los Geht's

TAUSCHRINGE: GEGENSEITIGE HILFEN ODER GEGENSEITIG AUFRECHNEN?

Möglichkeiten und Grenzen

Nun gibt es sie schon einige Jahre. Sie haben oftmals
auch gut funktioniert, das heißt, viele erfolgreiche
Austauschakte ermöglicht und Kontakte unter den
Beteiligten befördert. Aber die "Phase der Verliebtheit"
ist vorbei. Manche Tauschringe dümpeln mit einer
geringen Tauschhäufigkeit vor sich hin. Andere sind
eingeschlafen. Andererseits kommen ständig noch neue
Gruppen hinzu. Es gibt in Deutschland ca.
300 Tauschringe. Wir fanden es in der
CONTRASTE-Redaktion an der Zeit, einmal einen
solidarisch-kritischen Rückblick und Ausblick zu
probieren.

Hilmar Kunath, Redaktion Hamburg - WIE ein Tauschring funktioniert, wissen inzwischen viele: Jede bietet ihre Fähigkeiten an oder genießt die Fähigkeiten der anderen... Es wird verrechnet in Zeiteinheiten, die lose an den Euro angelehnt sind. Ziel dieses Wirtschaftens ist es, viele Tauschaktivitäten zu ermöglichen. Dabei soll ein etwa ausgeglichenes Konto angestrebt werden.

Ein Tauschring hat für die aktiv Tauschenden einige offensichtliche Vorteile: Es kann jedeR das anbieten, was den eigenen Neigungen entspricht. Es muss allerdings auf diesem Markt auch gebraucht werden. Jeder kann die Häufigkeit der Aktionen selbst regulieren. Es können menschliche Kontakte entstehen, die deutlich über das formale Tauschen hinausgehen. "Organisierter Hilfetausch schafft ein partnerschaftliches Verhältnis zwischen Gebenden und Nehmenden." (Zeit-Tauschring Frankfurt Nordwest) Wirtschaften kann ein Stück weit in die eigenen Hände genommen werden, wird übersichtlich und direkter erfahrbar, während es sonst über Supermärkte, große Privatfirmen, Behörden usw. die Menschen eher zu Teilen eines Apparates macht.

Aber sehen wir näher, auf welche Grenzen die Tauschring-Aktionen inzwischen gestoßen sind. (Dazu sollen auch die abgedruckten Berichte beitragen. Herzlichen Dank an alle! Wir bleiben, wenn möglich in Kontakt!)

Ein Tauschring sollte nach den Erfahrungen einiger Aktiver schon über 100 Mitglieder haben, um ein relativ attraktives Angebot mit einer gewissen Tauschhäufigkeit zu verbinden. Auf dem Lande, oder wenn ein hoher Bekanntheitsgrad unter den Tauschenden mitgebracht wird, reichen wohl auch weniger Mitglieder. Schaffen es die Tauschringe wirklich, längerfristig eine verhältnismäßig hohe "Tauschdichte" und ein ausgeglichenes Verhältnis von Geben und Nehmen zu ermöglichen? Voraussetzung dafür ist wohl auch ein Prozess des Kennenlernens am Ort und im Stadtteil, eine bewusste Beschränkung auf einen übersichtlichen Kreis von Menschen. Manchmal fehlen attraktive Angebote, die eigentlich benötigt würden, z.B. bestimmte Handwerker-Arbeiten. Trotzdem hat es nach den Berichten ein Teil der Tauschringe geschafft. Diese wollen erklärtermaßen meist nicht weiter wachsen und verbinden bewusst keine weitergehenden Wünsche demokratischen Wirtschaftens damit.

Ein anderer Teil der Tauschringe will den Austausch intensivieren und durch die Ausgabe von Regionalgeld ergänzen. Da gehen die Tauschringe einen Schritt über ihre unmittelbaren Erfahrungen hinaus.

Ziel: Geldreform?

Geld, speziell die Funktion des Zinses, wird als die Ursache fast allen wirtschaftlichen Übels angesehen. Deshalb probieren diese Menschen eine Geldreform. Sie bringen unter sich ein Geld in Umlauf, dass dem Zinsverbot unterliegt. Hinzu kommt ein kleiner, verabredeter Wertverfall, als Anreiz, das Regionalgeld nicht zu horten, sondern wieder in Umlauf zu bringen. Die private Warenwirtschaft, auch die übliche Kapitalbildung werden ansonsten als unproblematisch empfunden. Es kommt eine bestimmte Einschätzung der Rolle des Geldes hinzu. Geld erscheint allen Geldbenutzern als praktisches Austauschmittel. Die Waren erscheinen gar nicht als Träger von abstraktem Wert, sondern nur als nützliche Dinge, Güter oder Dienstleistungen. Ihr zusätzlicher Wertcharakter fällt ihnen an den Dingen als Waren nicht auf. Er springt ihnen dagegen in der Allgemeingestalt des Wertes, im Geld, ins Auge.

An der Einschätzung der Rolle des Geldes hängt auch die Frage, ob die Tauschringe eher eine (Arbeits-)Marktlücke füllen sollen oder als ein Ansatz Für eine neue, demokratischere Wirtschaftsweise verstanden werden. Die Geldreformer betonen den Vorteil einer direkteren Aktivität der Beteiligten als Austauscher gegenüber dem herkömmlichen Markt. Sie wollen das Marktgeschehen selbst demokratisieren. Die Kritiker sehen eher die Neueinübung des dieser Gesellschaft ohnehin zu Grunde liegenden Tauschprinzips ("Ich gebe dir, wenn du mir Gleichwertiges gemäss dem Marktwert für Waren und Arbeitskraft gibst") Andere Gruppen demokratischen Wirtschaftens kritisieren das Tauschprinzip auch praktisch. Sie bringen in Umsonstläden, Projektgemeinschaften, Nutzergemeinschaften und Gratisringen Geben und Nehmen in ein loseres Verhältnis als im Tauschring.

Die Debatte zwischen Geldreformern und Kritikern von Waren und Geld soll hier in der CONTRASTE weiter in solidarische Weise ausgetragen werden - zum Nutzen aller.

Schwerpunktthema auf den Seiten 7 bis 10

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 28. Mai 2009