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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Projektmesse 1984 (2)

Aus Wandelsblatt Nr. 1, Oktober 1984

Das kann doch nicht alles gewesen sein!

 

Der Konflikt, der sich einige Tage auf der Messe breitmachte (und ausdiskutiert wurde) war unversehens auch Mitbestandteil der Arbeitsgruppe „Politische Perspektiven gibt's die noch?"

Mühsam wurde auseinandergebröselt, daß das die Messe dominierende Thema Geld nur ein Teil der Diskussion sein kann. Und daß diejenigen aus der Szene, die sich Gedanken um Verteilung und Umgang mit der Knete machen, auch zu denen gehören, die sich Gedanken um die politische Zukunft der Betriebe machen. Denn es muß uns doch mit Mißtrauen erfüllen, wenn der Staat, wahlweise dessen regionale Würdenträger sich neuerdings nicht nur Gedanken um uns machen, sondern sich tatkräftig auf unsere Finanzierung stürzen. Früher wurde der Knüppel aus dem Sack auf den Tisch geknallt, heute steht allerorten der Dukatenesel bereit.

Da sagen dann die einen, die sich ihre Unschuld erhalten wollen (und können), daß sie ihr Projekt ohne (Staats-)geld aufgezogen haben und daß sie auch keines brauchen - was geht uns also die Knetediskussion an! Und anstatt, daß man ein gemeinsames Feindbild hätte - schön wär’s ja, aber auch zu einfach - vermutet man den Feind in den eigenen Reihen. Das sind nämlich die Großprojekte, die Geld brauchen, um ihre Kapitaldecke zu verbessern. Und das sind die Leute, die sich Träume gönnen, was wir noch an Projekten brauchen, um alle Wirtschaftsbereiche abzudecken. Deren Träume sind mit der Zeit mit Ungeduld genährt. Sie wollen nicht warten, bis alles naturwüchsig von selbst entsteht, sondern auch mal was Großes auf die Beine stellen. (Nicht nur small ist beautiful.)

Ich rede jetzt nicht einem effizienten, zweiten Wirtschaftssystem das Wort, sondern denke, wir müssen uns zusammen darüber klar werden, welche Produktionsbereiche brauchen wir, um der kapitalistischen Wirtschaft etwas entgegensetzen zu können und nicht nur von ihr geduldet zu werden.

Aber zurück zum Geld. Her müssen also Strukturen, die nicht zu reinen Geldverteilungsmechanismen verkommen, oder aus pragmatischen Gründen gleich so angelegt werden.

Diese Strukturen müssen inhaltlich-politisch gefüllt sein, und nicht nur aus Reaktionen auf den Staat bestehen, der sich seine eigene Ratlosigkeit grade mal was kosten läßt. Und bei der Frage nach unserem gemeinsamen politischen Anliegen scheiden sich dann die Geister.

Denn die gesellschaftlichen Bedingungen, die es dem fröhlichen 4er-Kollektiv ermöglichen, sich in einer Nische niederzulassen - das betrifft wohl vor allem Handels-, Handwerks- und Dienstleistungsbetriebe - werden nur solange geduldet, wie sie fürs System auch nützlich sind. Daß es uns gibt und daß es mittlerweile viele selbstverwaltete Betriebe gibt, mag Ausdruck unserer Stärke sein. Unsere eigentliche Stärke ausprobieren, können wir aber nur, wenn wir unsere Wirtschaftsbetriebe für unsere politischen Ziele einsetzen. Und das heißt doch, sich nicht nur im Innenverhältnis der herrschenden Wirtschaft und Gesellschaft zu widersetzen.

Selbstverwirklichung im Kollektiv und zur eigenen Befriedigung gute Arbeit zu machen, dabei noch einige Öko-Standarde im Kopf behalten - das kann doch nicht alles gewesen sein. Um nicht mißverstanden zu werden: das ist ja auch okay, anders zu arbeiten und anders mit den „Kunden" umzugehen, das gehört mit zu der Art von menschlichem Umgang, der ein Schritt hin zu einer anderen Gesellschaft ist. Und ich würde auch die vielen kleine Schritte, die konkret was zwischen Menschen verändern, nicht zugunsten einer politisch-schlagkräftigen Kaderorganisation eintauschen wollen. Also kein ZK. Und das ZK, denke ich, ist der eigentliche Knackpunkt der Diskussion. Da gibt es die oben kurz beschriebenen „jüngeren" Kollektive und die „alten", die aus politischen Gründen ihr Projekt gegründet haben. Die aber nachdem sie sich ausschließlich auf den Aufbau ihrer Betriebe gestürzt hatten, aus dem „Mehr" an Betrieben auch ein „Mehr" an Bewegung machen wollen...

Aber, man muß wohl damit leben, daß es eine Ungleichzeitigkeit in der Bewegung gibt. Ungleichzeitigkeit, bezogen auf den Anspruch, den Betriebe und Einzelne an sich stellen, den sie entwickelt haben oder noch nicht. Ganz bewußt steht da „noch nicht", denn für mich sieht es nicht so aus, als würden wir von den „Neuen Selbständigen" unterwandert oder bestimmt. Denn es gibt ja wohl noch recht deutliche Unterschiede zwischen Selbstverwaltet ohne Chef und effizientem Teamwork mit Mehrpersonenbesitzverhältnissen. Trotzdem, die Ungleichzeitigkeit kann so stehen bleiben und dennoch muß etwas getan werden. Nur, der Dialog zwischen den verschiedenen Gruppierungen muß stattfinden. Die, die für sich Perspektiven politischer Natur, die über den eigenen Betrieb hinausgehen, entwickelt haben, müssen daran arbeiten. Die anderen müssen sich zumindest damit auseinandersetzen sich solidarisch verhalten und sich nicht einfach verweigern.

Wir brauchen - neben den Branchentreffs und Regionalkontakten - Zusammenhänge und Strukturen, die uns eine kontinuierliche politische Diskussion erleichtern. Grundlage für die Diskussion sollte sein daß wir doch eigentlich gegen diese Staat sind. - Oder etwa nicht?

 Monika

Foto: Selbstdarstellungstafel vor der ehemaligen "Modellfabrik" von Blätterwald, Elefant-Schreinerei, Krebsmühle-Druckerei und Holzwerkstatt  

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 30. September 2011