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Monatszeitung für Selbstorganisation

 

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Die Ökobank

Der „historische" Kompromiß:

Die Ökobank kommt!

Nach monatelangem Tauziehen um die Ökobank erwartete das Publikum der Diskussionsveranstaltung um die Ökobank auf der Projektmesse nun ein bißchen mehr Klarheit über die verschiedenen Positionen. Denn - wie so häufig im Vorfeld solcher Projekte - fanden die wichtigsten Diskussionen im kleinen Kreis statt. Doch was kam, waren zwei friedlich nebeneinander sitzende Fraktionen, die sich kurz vorher doch noch geeinigt hatten. Wie schon die wichtigsten Diskussionspunkte in dem Konflikt (der z.B. an Tarifauseinandersetzungen erinnerte) nicht entschleiert wurden, war nun auch der Hintergrund für die (scheinbar) plötzliche Einigung nicht erkennbar. Das unterschwellige Unbehagen in den Zuschauerreihen war dann auch sehr berechtigt. Um nun mehr Licht in das Dunkel alternativer Finanzstrategien zu bringen, soll hier kurz die Entwicklung dargestellt werden.

Wie alles anfing...

Die Diskussion in der Szene um das Geld ist so alt wie die Szene selbst. Auch ist die Idee von der Alternativen Bank immer mal wieder in die Diskussion geworfen worden. Konkrete Ansätze, das Geldproblem anzugehen, entwickelten sich zunächst mal auf der Spendenschiene (Netzwerke, Ökofonds) und inzwischen gibt es auch schon alternative Kreditvermittlungen (STATTwerke), über die private Spargelder in finanzierungsbedürftige Projekte geleitet werden. Als dann im letzten Herbst, dem Raketenherbst, auch die Geschäftspolitik der Banken wieder thematisiert wurde, kam auch das Thema „Alternativbank" wieder in die Schlagzeilen (zumindest in der TAZ) und damit ins Bewußtsein der Szene. Und gemäß der politischen Entwicklung der letzten Jahre wurde das Kind „Ökobank" getauft. Es bildete sich eine Initiative (wie der Zufall es wollte. in der Bankenmetropole Frankfurt), die den Aufbau dieser Bank betreiben wollte.

Eigentlich wäre zu erwarten gewesen, daß diese Initiative von den anderen Gruppen (Netzwerke, STATTwerke), die im alternativen Finanzierungsdschungel arbeiten, euphorisch aufgenommen und unterstützt wird. Nicht so in unserer konfliktfreudigen Szene. Erstmal war den Netz- und STATTwerkern verdächtig, daß so eine Initiative nicht aus den eigenen Reihen kommt und dann störte sie die Hau-Ruck-Mentalität einiger Öko-Bank-Initiatoren.

Der Konflikt bricht auf

Von Anfang an fighteten beide Parteien ziemlich verbissen um die besseren Finanzstrategien. Zunächst war die Konfliktlinie klar: Die Ökobank-Initiative wollte eine Bank, und zwar möglichst schnell, während die Netz- und STATTwerke auf ihren bankähnlichen Konzepten beharrten und eine Bank aus strukturellen Erwägungen ablehnten.

Trotz sehr harter Auseinandersetzung und wenig Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, blieb man in der Diskussion. Doch die Verhärtung war nur äußerlich und schließlich wurde auf der einen Seite die strikte Anti-Bank-Haltung aufgegeben und auf der anderen Seite die Notwendigkeit der Berücksichtigung bankähnlicher Finanzstrukturen eingesehen. Im folgenden verschob sich der Streit auf das Problem des „richtigen, szeneangemessenen" Bankkonzeptes. Und dies war dann auch mehr und mehr ein Expertenstreit, der nach außen nicht so einfach nachvollziehbar ist.

Was ist Dezentralität?

Inhaltlich lagen die Streitpunkte bei der Organisation der Bank, der Grad der Dezentralität und der Kontrollmöglichkeiten durch die „Basis".

Das Bankkonzept der Öko-Bank-Initiative sah vor, daß die Träger dieser Bank (sprich: Genossen) Privatpersonen, Gruppen und Projekte sind. Aufgrund der hohen Anzahl der Genossen müssen Vertreter bestimmt werden, die dann in den Generalversammlungen (der Bank) die Politik bestimmen und den Vorstand bzw. Aufsichtsrat wählen und abwählen. Somit wäre die demokratische Kontrolle gesichert. Neben der Zentrale (nicht mehr so zufällig in Frankfurt geplant) sollte es sogenannte „Repräsentanzen" in den Regionen geben, die die Bankgeschäfte vor Ort erledigen. Diese Repräsentanzen sollen eng mit den Gruppen und Projekten vor Ort zusammenarbeiten und von denen kontrolliert werden.

Dem stellten die STATT- und Netzwerker folgendes Konzept entgegen: Die bereits entwickelten und sich entwickelnden Strukturen im Finanzierungsbereich werden weiter ausgebaut und es werden regionale Finanzierungsgesellschaften, sogenannte Finanzkooperativen gegründet, in denen alle Finanzierungsinstrumente integriert sind. Diese Finanzkooperativen, deren Träger Projekte, politische Gruppen und engagierte Einzelpersonen sein sollen, sollen dann für sich Eigenkapital ansammeln, das dann en bloc als Genossenschaftsantei1 in die Bank eingebracht wird. Die Bank hat dann 8-15 Genossen (Regionen/ Finanz-Koops), die die Rahmenbedingungen für die Bank bestimmen. Die Geschäftspolitik und die Bankgeschäfte selbst sind dann den Kooperativen überlassen, die weitgehend autonom sind und neben der Kreditvermittlung auch das institutionelle Bankgeschäft betreiben. Formalrechtlich wären diese Koops dann gleichzeitig Filialen der Ökobank mit einem voll verantwortlichen (der Ökobank gegenüber) Prokuristen.

Der „historische" Kompromiß

Natürlich gab und gibt es auch innerhalb der Ökobank-Initiative keine einheitliche Meinung. Jedoch fand sich eine Mehrheit für die grundsätzliche Akzeptierung des STATT/Netzwerkekonzeptes. Beide Parteien verständigten sich auf das Modell der Finanzkooperativen unter der Bedingung, daß dieses Konzept rechtlich machbar und ökonomisch sinnvoll ist. Anders ausgedrückt: Grundlage für weitere Diskussionen ist das Finanz-Kooperativen-Modell, von dem bei der Umsetzung nur in dem Maß abgewichen wird, wie dies rechtliche und ökonomische Bedingungen (nachvollziehbar) erfordern. Außerdem sollte durch Netz/STATTwerke sichergestellt werden, daß durch eine solche Regionalisierung der Gründungsprozeß nicht hinausgezögert und verkompliziert wird.

Diese Regionalisierung wird nun auch in der Struktur der Ökobank-Initiative, dem Verein der Freunde und Förderer der Ökobank, vorweggenommen. Zur Zeit werden allerortens regionale Fördervereine gegründet - als Vorläufer der Finanz-Koops - die dann, sobald sie rechtsfähig sind, in den Frankfurter Verein eintreten werden und diesen dann zu ihrem Dachverband umfunktionieren.

...und war hat das mit der Basis zu tun?

Auch das regionale, basisnahe Konzept kann nicht darüber hinweg täuschen, daß sich hier die zukünftigen Finanzmanager der Szene fetzen - und aufkommende Macht- und Geldphantasien kann wohl keiner der Beteiligten leugnen (ob nun im eigenen oder Projektinteresse). Auch STATT- und Netzwerke können sich damit brüsten, die Interessen der Basis durchgesetzt zu haben, was allerdings geschaffen wurde, ist eine Situation, die es interessierten Projekten und Gruppen ermöglicht, sich regional in die Diskussion um die Ökobank einzuklinken (was sicherlich einfacher ist als einmal im Monat nach Frankfurt zu fahren). Das Konzept sieht eine starke Basisanbindung vor. Ob es allerdings mit dem Leben gefüllt wird, wie es sich seine Protagonisten vorstellen, das liegt am Engagement eben der betroffenen Projekte und Gruppen.

Was bleibt ist, daß wir weder eine Bank für noch der Bewegung wollen, sondern eine „bewegte" Bank.

Nachtrag für Schaulustige

Dieser Kompromiß ist kein einhelliger! Es gibt durchaus auch die (Minderheits-)Meinung, daß vieles an dem Konzept einer notwendigen Bankseriosität schaden würde und somit viele potente Geldgeber verschreckt. Und diese Minderheit könnte tatsächlich zu einer Sperrminorität werden, da die umfangreichen Struktur- und Satzungsänderungen, die für das neue Konzept notwendig werden, einer qualifizierten (3/4) Mehrheit bedürfen. Im schlimmsten Fall - d.h. wenn es eine Auseinandersetzung auf der formaljuristischen Ebene gibt - müßten die Regionalinitiativen einen neuen Dachverband gründen und es würde zwei konkurrierende Bankinitiativen geben. Der interessierte Zuschauer darf also noch ein bißchen gespannt sein.

Michael Makowski

Der Autor ist Mitarbeiter der STATTwerke und als solcher direkt an den Auseinandersetzungen beteiligt. Die Objektivität der Berichterstattung ist nur scheinbar. Subjektivistische Tendenzen ließen sich nicht ausschließen.

 M.M.    

 

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Copyright © 1999 CONTRASTE Monatszeitung für Selbstorganisation
Stand: 30. September 2011